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Zwei Sachsen im Deutschen Bergbau-Museum Bochum

Für Laien ungewöhnliche oder gar amüsant wirkende Bezeichnungen und Begrifflichkeiten sind im Bergbauzusammenhang nichts Ungewöhnliches. Bisweilen geben sie den Museumsmitarbeitenden aber einige Rätsel auf.

Dr.-Ing. Heinrich Winkelmann, der Direktor des damaligen Bergbau-Museums Bochum, erwarb auf einer Dienstreise 1938 in Österreich eine ganze Reihe von Objekten aus dem Privatbesitz von Karl Zschocke. Neben drei Bergmannsuniformen mit Tschako und Säbel, zwei Modellen von Pochwerken mit Herden und Gebläsen, fünf Lampen, einem Steigerhäckel und allerhand Gezähe im Original und in verkleinerter Nachbildung waren darunter auch „2 Sachsen (1 Salzburger und einen Freiberger)“ (montan.dok/BBA 112/1303).

 

Genauer werden die „Sachsen“ in dem Bericht Winkelmanns über seine Dienstreise leider nicht beschrieben. Ratlose Gesichter allenthalben: Was könnten die damals für zehn Reichsmark erstandenen Sachsen nur bedeuten? Die Museumsdatenbank des Deutschen Bergbau-Museums Bochum weiß auch keinen Rat. Erst das Kontrollbuch über die Ankäufe des Museums in dieser Zeit (montan.dok/BBA 112/6214) gibt den entscheidenden Hinweis. Zwar ist auch hier nur von Salzburger und Freiberger Sachsen die Rede, aber die für die Objekte vergebenen Inventarnummern 36/39 und 36/90 wurden ebenfalls notiert. Der Blick auf die entsprechenden Karteikarten und späteren Einträge in der Museumsdatenbank (montan.dok 030036039000 und 030036090000) zeigt, dass die beiden Objekte als „Sichertrog“ mit dem Hinweis auf die Goldaufbereitung geführt werden. Die Bezeichnung „Sachse“ findet keine Erwähnung mehr.

 

In der ersten Auflage seiner „Sammlung bergmännischer Ausdrücke“ führt Moritz Ferdinand Gätzschmann 1859 die „Sachsel“ mit dem Verweis auf den „Sichertrog“ an; in der zweiten vermehrten Auflage aus dem Jahr 1881 ist von „Sachse“ die Rede. Im zweiten Band seiner Abhandlung „Die Aufbereitung“ beschreibt der Freiberger Bergmann ausführlich unterschiedliche Sichertröge, also jene Gefäße, in denen Erze zwecks Prüfen oder Reinwaschen mit Wasser zusammengeführt werden. Um die erwünschte Scheidung zu erreichen, werden die Behältnisse per Hand entweder gestoßen oder geschwenkt. Zu diesen Sichertrögen gehört laut Gätzschmann auch der „salzburger, […] Sichertrog; die Handsachse“. Die beigegebene Zeichnung und Beschreibung passt gut zu dem unter montan.dok 030036090000 inventarisierten „sehr lange[m], schmale[n], geschweifte[n] Holztrog mit niedrigen Seitenwänden, die an einem Ende mit dem Boden wieder gleich laufen und mit diesem zusammen zu einem Griff ausgearbeitet sind.“ Auch das zweite von Winkelmann erworbene Gefäß ist dem nicht unähnlich, wenn auch hier das Ende mit dem Griff geschlossen ist. Die Bezeichnung „Freiberger“ erwähnt Gätzschmann in Zusammenhang mit den Sichertrögen nicht. Diese wird im „Lexikon der gesamten Technik und ihrer Hilfswissenschaften“ von Otto Lueger aus dem Jahr 1907 unter dem Stichwort „Herdarbeit“ angeführt. Hier wird als „Freiberger Sichertrog“ allerdings ein Behältnis, das eine ovale Form hat, bezeichnet. Diese Ausprägung passt zu keinem der beiden von Winkelmann erworbenen Sichertrögen.

 

Das Alter der Sichertröge wird weder im Dienstreisebericht noch auf den Karteikarten genannt, dort wird lediglich auf eine Verwendung bis „heute (1949)“ hingewiesen. Eine zeitliche Einordnung findet sich auf der Rückseite der Objektfotografie (montan.dok 025100151000) zu einem der Sichertröge (montan.dok 030036090000). Laut Expertise von Professor Ernst Preuschen stammt die „Saxe“ aus der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts und war ein äußerst nützliches Gerät, weil sie eine „rasche Beurteilung der ungefähren Freigoldgehalte“ ermöglichte. Er selbst erwähnt in einem Artikel über das „Flußgold an der Salzach“ aus dem Jahr 1957 die Benutzung einer solchen „Saxe“ bei seinen Untersuchungen an der Salzach. Das Hilfsmittel wurde laut Preuschen vielfältig eingesetzt, so „beim Prospektieren, zur Prüfung von Grubenaufschlüssen, zur raschen Betriebskontrolle in der Aufbereitung, ferner auch für das Feinwaschen der Flußgoldkonzentrate verwendet.“ Die fotografierte „Saxe“ reiht er in den Golderzbergbau Radhausberg bei Gastein ein.

 

Der Verkäufer der Sachsen, Zschocke, war in dieser Gegend im Golderzbergbau tätig. Winkelmann besuchte im September 1938 die Grube auf dem Nassfeld, wo Zschocke arbeitete. Gemeinsam machten die beiden eine Grubenfahrt, von der Winkelmann aber nicht weiter berichtet. Generell erfahren wir über den Golderzbergbau in dieser Zeit aus dem Bericht nichts weiter, als dass Zschocke die Leitung der Goldbergwerke der Gewerkschaft Radhausberg innehatte. Zu der „Gesellschaft“ bemerkt Winkelmann, dass sie derzeit in englischen Händen sei, aber von der Preußischen Bergwerks- und Hütten-Aktiengesellschaft (Preußag) übernommen werden sollte. Tatsächlich hatte die Edron Trust Limited, London, auf Grundlage eines Optionsvertrages mit der Österreichischen Regierung zwischen 1937 und 1938 den seit 1927 stillgelegten Betrieb auf dem Nassfeld wieder in Angriff genommen. Nach dem „Anschluss“ Österreichs an das Deutsche Reich 1938 wurden dem englischen Unternehmen die beim Ankauf in Aussicht gestellten weitgehenden Vergünstigungen abgesprochen. Daher zog sich die Gesellschaft zurück und die Preußag übernahm. Als Winkelmann Zschocke besuchte, war für den Museumsdirektor aber vor allem dessen private Sammlung von Interesse. Diese im Museum in Bad Gastein untergebrachte Sammlung besichtigte er und einigte sich dabei mit Zschocke über die eingangs angeführten Ankäufe.

 

Die Freiberger und die Salzburger Sachse zeigen einmal mehr, wie viele interessante Objekte auch aus anderen Bergbausparten neben den wichtigen Zeugnissen des Steinkohlenbergbaus zu den Musealen Sammlungen des Deutschen Bergbau-Museums Bochum gehören. Durch Informationen wie dem Dienstreisebericht aus dem im Rahmen des Projektes „montan.dok 21“ bearbeiten Archivbestand 112: Deutsches Bergbau-Museums Bochum, Bochum, lässt sich für viele dieser Objekte ihre Geschichte genauer nachvollziehen.

 

18. März 2020 (Dr. Maria Schäpers)

 


Literatur

Montanhistorisches Dokumentationszentrum (montan.dok) beim Deutschen Bergbau-Museum Bochum 030036039000, 030036090000 und 025100151000

 

Montanhistorisches Dokumentationszentrum (montan.dok) beim Deutschen Bergbau-Museum Bochum/Bergbau Archiv Bochum (BBA) 112/1310

 

Florentin, Ferdinand: Die letzte Betriebsperiode des Gasteiner- und Rauriser Goldbergbaus 1938-1945, Sonderdruck aus dem Bad Gasteiner Badeblatt, 1953, Nr. 13, 14 und 15, Bad Gastein o. J.

 

Gätzschmann, Moritz Ferdinand: Die Aufbereitung, Bd. 2, Leipzig 1882.

 

Gätzschmann, Moritz Ferdinand: Sammlung bergmännischer Ausdrücke, Freiberg 1859.

 

Gätzschmann, Moritz Ferdinand: Sammlung bergmännischer Ausdrücke, zweite wesentlich verm. Aufl. mit Hinzufügung der Englischen und Französischen Synonyme und englisch-deutschem und französisch-deutschem Wortregister, Freiberg 1881.

 

Günther, Wilhelm mit Beiträgen von Paar, Werner H.: Die Betriebswirtschaftlichen Verhältnisse des Edelmetallbergbaues in Salzburg und Oberkärnten im 19. Und 20. Jahrhundert, in: Paar, Werner H./Günther, Wilhelm/Gruber, Fritz (Hrsg.): Das Buch vom Tauerngold, Salzburg 2006, S. 365-496.

 

Lueger, Otto: Lexikon der gesamten Technik und ihrer Hilfswissenschaften, Bd. 5, Stuttgart/Leipzig 1907.

 

Preuschen, Ernst: Das Flußgold an der Salzach, in: Der Anschnitt 9, 1957, Heft 4, S. 12-15.