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Tauchen im Bergwerk

Die Arbeitswelt unter Tage ist nicht ohne Risiken. Im gesamten Betriebsablauf sind die Bergleute auf das Funktionieren von Technik angewiesen. Ein Tauchgang nach einem Wassereinbruch in einer Zeche fügt diesem Umfeld noch eine weitere Komponente hinzu – das Überleben unter Wasser hängt nicht zuletzt von den Tauchgeräten ab. Im Bergbau-Archiv Bochum findet sich Prospektmaterial, das einen Eindruck von Tauchausrüstungen vermittelt, wie sie in der 1873 von der Westfälischen Berggewerkschaftskasse und dem Bergbau-Verein gegründeten Abteilung „Taucherei“ eingesetzt wurden.

Als die Schächte in den 1870er-Jahren immer tiefer in den Untergrund getrieben wurden, wuchs nach einem Bericht des Tauchermeisters Wilhelm Badenstedt zum Thema „Taucherei und Rettungswesen“ von 1941 der Bedarf an Tauchern für Reparaturen an ausgefallenen Pumpen im Schachtsumpf (vgl. auch im Folgenden montan.dok/BBA 120/2088). Dabei wird die „Untersuchung und Säuberung von Pumpenschächten, Pumpensümpfen und Sumpfstrecken […]“, ferner die Feststellung von Wasserdurchbrüchen und deren Abdichtung durch Betonieren sowie die Ingangsetzung von Wasserhaltungsmaschinen genannt. Darüber hinaus kam die Bergung Ertrunkener als traurige Aufgabe auf die Grubentaucher zu.

 

In der Bergschule an der Herner Straße in Bochum nutzte man zu Ausbildungszwecken einen Übungs-Tauchschacht mit einer Tiefe von 20 m. Hier wurden die Bergschüler auf mögliche Taucheinsätze vorbereitet (vgl. das eingefügte Video montan.dok/BBA F 1287). Dafür standen 1941 fünf vollständige Tauchausrüstungen zur Verfügung. Neben Schlauchgeräten wurde auch mit frei tragbaren Geräten der Firma Dräger gearbeitet. In seinem Bericht führt Wilhelm Badenstedt aus, dass nicht jedermann für eine solche Ausbildung in Frage komme. Nur tüchtige und erfahrene, mit den Verhältnissen unter Tage bestens vertraute Bergleute seien dafür geeignet. Als Nebeneffekt der Lehrgänge unterstreicht er das praktische Kennenlernen von Naturgesetzen. Auch habe das „Verweilen in einem […] feindlichen Element“ einen positiven Einfluss auf den persönlichen Mut und das Selbstvertrauen der Bergschüler. Natürlich mussten die Auszubildenden ebenfalls gute Schwimmer sein.

 

Video file

 

Einige physikalische Eigenschaften des Wassers, die das Tauchen in offenen Gewässern erschweren, stellen unter Tage ein nochmals gesteigertes Gefahrenpotenzial dar. Ein Fachartikel aus dem Jahr 1967 verweist in diesem Zusammenhang unter anderem auf „niedrige Wassertemperaturen, schlechte Sicht durch Aufwirbelung von Schwebeteilchen und durch eine ungenügende Lichtquelle, enge Raumverhältnisse, aggressive Wässer“ (montan.dok/BBA 17/67). Neben der Beherrschung grundlegender Techniken wie dem Druckausgleich umfasst der Unterricht die Vermittlung von Kenntnissen über Taucherkrankheiten. Sowohl die Koordination unter Wasser als auch das Anlegen der Taucherausrüstung an Land muss eingeübt werden.

 

Die Tauchabteilung wurde 1946 aufgelöst. Wegen der Abnutzung der Geräte und des Fehlens von ausgebildetem Hilfspersonal konnte die Sicherheit bei der Taucharbeit nicht mehr gewährleistet werden. Zudem sprach der verhältnismäßig seltene Einsatz der Grubentaucher gegen eine Erhaltung der Abteilung. Ebenfalls wird eine Rolle gespielt haben, dass die Berufsgenossenschaften laut einer Niederschrift über die Vorstandssitzung der Westfälischen Berggewerkschaftskasse am 05. November 1946 anstrebten, „den Tauchberuf zu einem Lehrberuf mit langzeitiger Ausbildung zu machen“ und die Lehrgänge an der Bergschule nicht als „vollwertige Schulung“ angesehen werden konnten (montan.dok/BBA 120/867).

 

Nicht nur die Sammlung von Firmenprospekten enthält Material zu Tauchausrüstungen für den Gebrauch unter Tage, auch in den Musealen Sammlungen des Deutschen Bergbau-Museums Bochum, die vom Montanhistorischen Dokumentationszentrum betreut werden, finden sich viele Dinge zum Thema. Zu diesen Objekten gehören Taucherhelme, wasserdichte Rettungslampen, Brustgewichte und vieles mehr. Die entsprechenden Kataloge und Prospekte wurden im Rahmen des Projekts „montan.dok 21“ archivfachlich erschlossen und stehen der Forschung rund um das Thema Taucherei im Bergbau zur Verfügung.

 

05. Mai 2020 (Jens Brokfeld, M.A.)

 


Literatur

Montanhistorisches Dokumentationszentrum (montan.dok) beim Deutschen Bergbau-Museum Bochum/Bergbau-Archiv Bochum (BBA) 120/867, 120/2088, 17/67, FP 348/8, 1402/1, F 1287

 

Bergmann, Werner/Milan, Heinz: Tauchen – als Spezialausbildung im Grubenrettungswesen, in: Bergakademie 5, 1967, S. 283-287.

 

Farrenkopf, Michael/Ganzelewski, Michael: Das Wissensrevier – 150 Jahre Westfälische Berggewerkschaftskasse/DMT-Gesellschaft für Lehre und Bildung. Katalog zur Sonderausstellung, Band 2, Bochum 2014 (= Veröffentlichungen aus dem Deutschen Bergbau-Museum Bochum, Nr. 198 = Schriften des Bergbau-Archivs, Nr. 29).

 

Westfälische Berggewerkschaftskasse (Hrsg.): Verwaltungsbericht der Westfälischen Berggewerkschaftskasse zu Bochum für die Zeit vom 1. Januar 1941 bis 31. Dezember 1948.