Direkt zum Inhalt

Prof. Dr. Friedrich Schumacher und die Goldmünze des wilhelminischen Kaiserreichs

Die Musealen Sammlungen des Montanhistorischen Dokumentationszentrums (montan.dok) beherbergen neben (berg-)technischen und kulturhistorischen Objekten auch etwa 3 000 Münzen und Medaillen. Eine ganz besondere Geschichte verbirgt sich hinter einer Goldmünze mit dem Wert von 15 Rupien aus dem Jahr 1916 (montan.dok 030000268001). Nur durch unaufmerksame Mitarbeiter Scotland Yards und Prof. Dr. Friedrich Schumacher, ehemaliger Rektor der Bergakademie Freiberg, hat sie ihren Weg in das Deutsche Bergbau-Museum Bochum gefunden.

Prof. Dr. Friedrich Schumacher (1884-1975) studierte an der Bergakademie Freiberg das Bergingenieurwesen und wurde 1910 an der Technischen Hochschule Stuttgart promoviert. Anschließend arbeitete er in den ertragreichen österreichisch-ungarischen Goldminen bei Brad im Siebenbürgischen Erzgebirge, bevor er von der Berliner Kironda-Goldminengesellschaft, einer 1908 gegründeten Kolonialgesellschaft, zum stellvertretenden Leiter der Goldminen von Sekenke ernannt wurde.

 

Seine Reise startete im April 1913, das Ziel war die damalige deutsche Kolonie Deutsch-Ostafrika, die in etwa das heutige Ruanda, Burundi und Tansania umfasste. Nach 35-tägiger Reise mit dem Schiff durch das Mittelmeer, den Suezkanal, das Rote Meer, am Horn von Afrika vorbei in den Indischen Ozean bis zum Zielhafen Daressalam, dann weiter mit der Eisenbahn und dem mitgeführten LKW, kam Schumacher bei den Goldminen von Sekenke an. Die Minen lagen etwa 200 km südlich der Serengeti-Savanne und 300 km südöstlich des Victoriasees. Die nächstgrößere Stadt Tabora war 200 km weit entfernt, die Minen selbst lagen in der heißen und menschenarmen Wembere-Steppe am Fluss Kironda. Die gesamte Belegschaft, die aus ca. 20 Deutschen und 800 Afrikanern bestand, wohnte laut Aufzeichnungen in einer recht ansehnlichen Siedlung in direkter Nähe der Minen.

 

Schumacher arbeitet sehr erfolgreich als stellvertretender Leiter, Bergingenieur und Geologe in den ertragreichen und technisch gut ausgestatteten Minen. Es gab moderne pressluftbetriebene Bohrmaschinen, elektrische Pumpen und ein Pochwerk. Das hier gewonnene Gold wurde in das Deutsche Reich transportiert und dort zu Reichsgoldmünzen (10- und 20-Markstücke) ausgemünzt.

 

Als der Erste Weltkrieg begann, waren schnell alle deutschen Kolonien besetzt. Lediglich Deutsch-Ostafrika gelang es, die Angriffe der alliierten Übermacht abzuwehren. Infolgedessen war das Gebiet allerdings von allen Verbindungen, ob zu Land oder zu Wasser, vollständig abgeriegelt und auf sich gestellt.

 

Schumacher meldete sich zwar freiwillig zu den deutschen Kolonialstreitkräften unter dem Kommandeur Paul von Lettow-Vorbeck, wurde aber zurückgestellt, da er für die Arbeit in der bedeutendsten Goldmine Deutsch-Ostafrikas unersetzlich war. Der Betrieb des Bergwerks musste dennoch Ende 1915 aufgrund von Materialmangel eingestellt und die Mine selbst gesprengt werden. Nichtsdestoweniger bestand weiterhin ein erheblicher Geldbedarf, so dass man beschloss, in Tabora, einer Stadt mit 37 000 Einwohnern und am Schnittpunkt mehrerer Karawanenwege gelegen, mit einer eigenen Münzproduktion zu beginnen. Schumacher wurde Leiter der neuen Münzprägestätte, die das Münzzeichen „T“ führte, obwohl er sich ohne Vorerfahrung erst in die Technik einfinden musste. Es gelang ihm mit umgebauten Maschinen und Werkzeugen, wie z. B. Erdnussölpressen, eine improvisierte Prägestätte einzurichten. Die kleinen Münznominale (5 und 20 Heller) bestanden aus Kupfer und Messing. Um das Rohmaterial zu bekommen, nutzte man Patronenhülsen und Altmetall aus verschrotteten Schiffswracks. Für das größte Münznominal, das 15-Rupien-Stück, von dem sich heute ein Exemplar in den Musealen Sammlungen befindet, nutze man das Gold aus Sekenke – so entstanden die weltweit einzigen Notmünzen aus Gold, die der damalige Gouverneur der Kolonie Deutsch-Ostafrika, Heinrich Schnee, u. a. dazu nutzte, den Guerillakrieg gegen britische Truppen zu finanzieren.

 

Der Technische Zeichner R. Vogt entwarf das Münzbild, ein singhalesischer Goldschmied namens Vetheare von der Insel Sansibar fertigte den Stempel: Ein Elefant vor dem Kilimandscharo mit der Inschrift „1916 T“ zierte die Vorderseite der Münze. Auf der Wertseite befand sich der Reichsadler mit der Umschrift „Deutsch-Ostafrika 15 Rupien“. Von diesen vermutlich letzten deutschen Goldmünzen des Kaiserreichs wurden etwa 16 000 Stück angefertigt, bevor auch Tabora vor der Einnahme durch die alliierten Truppen stand.

 

Am 18. September 1916, am Abend vor der Besetzung Taboras, schlich sich Schumacher mit den letzten 200 15-Rupien-Goldmünzen in die Nacht hinaus und vergrub sie in einer Blechdose in der Erde, um sie in Sicherheit zu bringen. Außerdem hatte er 40 Goldmünzen in seine Kleidung eingenäht und in seinem Gepäck versteckt, bevor er am nächsten Tag gefangengenommen wurde. Für ihn begann eine Odyssee: Anfang 1917 wurde er zusammen mit weiteren Zivilgefangenen von den belgisch-kongolesischen Bewachern durch die riesigen Regenwälder des zentralafrikanischen Kongo bis zur Atlantikküste getrieben, bevor er mit dem Schiff nach England gebracht wurde. Eine schon zuvor zugezogene Malariaerkrankung brachte Schumacher an seine körperlichen Grenzen.

 

In England angekommen, nahm die Polizei Schumacher genauestens unter die Lupe. Scotland Yard konnte 39 seiner 40 versteckten Münzen mit Hilfe von Röntgengeräten aufspüren, nur eine einzige 15-Rupien-Münze, eingenäht in den wattierten Achseln seines Anzugs, blieb ihnen verborgen.

 

Im Dezember 1917 kam Schumacher zurück nach Deutschland, wo ihm für die Errichtung der Münzstätte das „Eiserne Kreuz für Nichtkämpfer“ verliehen wurde. In seiner Heimatstadt Spaichingen und im Tropengenesungsheim Tübingen, das heutige Institut für Tropenmedizin, konnte er sich von seiner Malariaerkrankung erholen, was aber einige Jahre in Anspruch nahm. Auch sah er seine Jugendfreundin Ottilie wieder, zu der er über die gesamte Kriegszeit keinen Kontakt haben konnte. Sie heirateten am 10. Januar 1920 und zogen nach Freiberg, da Schumacher am 01. April den Lehrstuhl für Geologie und Lagerstättenkunde der Bergakademie übernahm. Das internationale Ansehen, welches er sich in den Folgejahren erarbeitete, verhalf ihm 1933 zum Rektorenposten der Bergakademie Freiberg, einem Posten, den er für zwei Jahre bekleidete. Seine Weigerung, sowohl der NSDAP als auch später der SED beizutreten, führte jeweils zu Konflikten und letztendlich dazu, dass er sich zur Ausreise aus der DDR veranlasst sah. In der Folgezeit arbeitete er als Geologe in Jugoslawien und erhielt später unter anderem Lehraufträge der Universitäten Belgrad, Istanbul und Bonn.

 

Mitte der 1960er-Jahre rekonstruierte er mit Hilfe alter Baupläne die Lage der vergrabenen Goldmünzen. Das Material wurde zwar dem ersten tansanischen Präsidenten Julius Nyerere übergeben, jedoch hörte Schumacher nie wieder davon. Auch nach seinem Tod gab es immer wieder Berichte und Versuche, die Münzen wiederaufzufinden, ebenso wie Rückfragen an die Behörden. Offizielle Ergebnisse wurden bis heute nicht bekannt.

 

Die letzte verbliebene Münze Schumachers, mit einem Durchmesser von 22 mm und einem Gewicht von 7,14 g, übergab seine Witwe Ottilie Schumacher am 17. Mai 1978 als Schenkung dem Deutschen Bergbau-Museum Bochum. Sie wird in der dortigen Dauerausstellung präsentiert und kann im Rundgang „Bergbau. Steinzeit mit Zukunft“ in der Ausstellungseinheit „Gold“ besichtigt werden. Die Münze erinnert hier nicht nur an den Goldbergbau sowie seine Verwertungen, sondern auch an die koloniale Vergangenheit Deutschlands auf dem afrikanischen Kontinent. Diese Zusammenhänge heute erkennen zu können, ist ein Ergebnis der erfolgreichen Arbeiten im Vorhaben „montan.dok 21“.

 

01. Januar 2021 (Maren Vossenkuhl, M.A.)

 


Literatur

Montanhistorisches Dokumentationszentrum (montan.dok) beim Deutschen Bergbau-Museum Bochum 030000268001

 

Balke, Ernst: Die Notmünzen von „Deutsch-Ostafrika“. Moderne Untersuchungsmethoden bestätigen historische Berichte, in: money-trend, mt 3/88, S. 10-18.

 

Fitzel, Andreas Udo: Friedrich Schumacher (1884-1975) ... oder: Der Goldschatz von Deutsch-Ostafrika, in: Spaichinger Heimatbrief 27, 2009, S. 59-69.

 

Fitzel, Andreas Udo: Der Goldschatz von Deutsch-Ostafrika, aus den Aufzeichnungen Friedrich Schumachers (1884-1975), Münzstättenleiter von Tabora/Deutsch-Ostafrika, in: Münzen-Revue 41, 2009, Heft 9, S. 122-128.

 

Wernsing, Susanne/Geulen, Christian/Vogel, Klaus (Hrsg.): Rassismus. Die Erfindung von Menschenrassen. Katalog zur Ausstellung des Deutschen Hygiene-Museums, Göttingen 2018.

 

Westfälische Berggewerkschaftskasse Bochum, Jahresbericht 1978.