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Kommunikationstechnik unter Tage und die Geschichte des Grubentelefons

Die Verständigung per Zuruf funktioniert unter Tage nur über kurze Distanzen. Noch am Ende des 19. Jahrhunderts wurden hauptsächlich einfache Hilfsmittel wie Sprachrohre oder Klopfzeichen zur Kommunikation eingesetzt. Mit der zunehmenden Mechanisierung in den folgenden Jahrzehnten nahm das Nachrichten- und Signalaufkommen allerdings nicht ab – im Gegenteil: Komplexere Betriebsabläufe erforderten neue Techniken wie Signalanlagen und das Grubentelefon.

Mitte des 19. Jahrhunderts drangen die Zechen im Ruhrgebiet immer tiefer in die Erdkruste vor. Vor dem Hintergrund des steigenden Bedarfs nach Steinkohle und den neuen technischen Möglichkeiten durch den Einsatz von Dampfmaschinen zum Abpumpen des Grubenwassers sowie bei der Schachtförderung entstanden immer ausgedehntere Bergwerke. Dem musste auch in der Kommunikationstechnik Rechnung getragen werden. Die Übertragung von akustischen Botschaften durch das Klopfen an Rohrleitungen oder Anschlagen von Ketten wurde den Anforderungen der Zechenbetriebe nicht mehr gerecht.

 

Zu den ältesten elektrischen Fernmeldeanlagen unter Tage werden die Ende des 19. Jahrhunderts eingeführten Schachtsignalanlagen gezählt. Sie dienten zur Verständigung zwischen dem Fördermaschinenraum und den Anschlägen, wo die waagerechte Strecken- in die senkrechte Schachtförderung übergeht. Dabei wurden optische und akustische Signale etwa zur Ankündigung einer Seilfahrt, also dem Transport von Personen mittels Förderkorb, eingesetzt. Verschiedene Signale wurden im deutschen Bergbau einheitlich festgelegt und in Form so genannter Anschlagtafeln an den relevanten Arbeitsplätzen ausgehängt.

 

Die Lautstärke in den Zechenbetrieben war zumal durch den Einsatz mechanisierter Fördertechnik angestiegen. Weil an die Schachtsignalanlage angeschlossene Rasselwecker oder Glocken gegen diese Geräuschkulisse häufig nicht ankamen, wurden sie durch optische Signale ergänzt. Die aus der Schifffahrt zur Kommunikation zwischen Kapitän und Maschinenraum bekannten Zeigertelegraphen besaßen ein Ziffernblatt, das über Felder mit Aufschriften wie „Auf“, „Halt“ oder „Seilfahrt“ verfügte. Mit Hilfe einer Drehkurbel wurde ein Zeiger über die Felder bewegt und seine Stellung auf ein Empfängergerät übertragen. Bei jedem Wechsel der Zeigerposition ertönte zusätzlich ein bestimmter Signalton.

 

Das Grubentelefon kam Anfang des 20. Jahrhunderts auf und wurde bald als unverzichtbar angesehen. Es ergänzte die bestehenden Schachtsignalanlagen in komplizierteren Fällen, wenn die kodifizierten Botschaften des Systems nicht mehr ausreichten und der Maschinist über eine ungewöhnliche Maschinenführung aufgeklärt werden musste. Besonders wenn die Sicherheit der Bergleute betroffen war, leistete das Grubentelefon wertvolle Dienste. In den Musealen Sammlungen des Deutschen Bergbau-Museums Bochum befinden sich Beispiele für die schlagwettergeschützten Geräte mit ihren robusten Metallgehäusen. Aufgrund der starken Umgebungsgeräusche verfügten sie über spezielle Lautsprecher.  

 

Beim Thema Sicherheit spielten die Signalanlagen eine nicht zu unterschätzende Rolle: „Nach den Ermittlungen von M. Schensky ist die Hälfte aller tödlichen Unfälle bei der Seilfahrt auf unzeitiges Betreten oder Verlassen des Förderkorbes, vorzeitiges Wegziehen des Korbes, infolge unrichtigen, unzeitigen oder missverstandenen Signals zurückzuführen. Es handelt sich in jedem Fall um plötzliche Förderbewegungen, mit denen der Verunglückte nicht rechnete“ (Busch/Gaßmann, 1942, S. 82).

 

Die Wichtigkeit der Kommunikationstechnik in arbeitsökonomischer Hinsicht wurde besonders aufgrund von Arbeitszeitmessungen deutlich, die nahelegten, dass „allein in halbsteilen Versatzbetrieben mindestens 20% der wirklichen Arbeitszeit – in manchen Fällen sogar noch wesentlich mehr – durch falsche oder zu langsame Nachrichtenübermittlung verlorengehen“ (Schunke, 1950, S. 630).

 

Vor diesem Hintergrund wurden in den 1950er-Jahren die ersten Grubenwarten eingerichtet. In diesen „Schaltzentralen“ liefen alle Informationen des Grubenbetriebs zusammen. Die Hilfsmittel zum Beobachten, Schalten, Steuern und selbsttätigen Regeln der Bergbaumaschinen und Arbeitsabläufe waren ein weiteres Mal umfassender und effizienter geworden. Sie wurden unter dem Begriff der Fernwirktechnik zusammengefasst. Zunächst wurde die Kraft mechanisch durch pneumatische oder hydraulische Verfahren übertragen und später folgte der Einsatz von elektrischer Energie.

 

Auch in diesem Umfeld hatte die Kommunikation per Telefon aber nicht an Bedeutung eingebüßt. So heißt es 1959 in der Bergbaukunde von C. H. Fritzsche: „Zu den wichtigsten Verständigungsmitteln, die schon seit vielen Jahren im Bergbau eingeführt sind, gehört nach wie vor der Fernsprecher, der unter Tage in seinen verschiedenen Arten ständig an Bedeutung gewinnt“ (Fritzsche, 1959, S. 391). Vergleichbare Äußerungen finden sich in der Fachzeitschrift „Glückauf“, wo die Wichtigkeit der Sprachverständigung für den Betriebsablauf betont wird.

 

Ab den 1980er-Jahren wurden große Datenmengen zur Überwachung und Steuerung der Untertagebetriebe mit Hilfe von Mikroprozessortechnik an die Grubenwarten übertragen. Störungen im Arbeitsprozess konnten zunehmend automatisch erkannt und Gegenmaßnahmen eingeleitet werden. Die Verständigung per Telefon hat derweil auch im weitgehend automatisierten Bergbau mit modern ausgestatten Grubenwarten einen Platz behalten.

 

Die Grubentelefone haben ihre Spuren in verschiedenen Beständen des Deutschen Bergbau-Museums Bochum hinterlassen. Sie sind auf Fotos und in Firmenprospekten überliefert, in Aktenmaterial zur Einrichtung von entsprechend ausgestatteten Signalanlagen dokumentiert und natürlich auch Teil der Objektsammlung. Ein Ziel des Projekts „montan.dok 21“ ist es, solche Informationen in der Archivdatenbank nachzuweisen und miteinander zu verknüpfen.

 

02. September 2019 (Jens Brokfeld, M.A.)

 


Literatur

Montanhistorisches Dokumentationszentrum (montan.dok) beim Deutschen Bergbau-Museum Bochum/Bergbau-Archiv Bochum (BBA) 41/1926

 

Montanhistorisches Dokumentationszentrum (montan.dok) beim Deutschen Bergbau-Museum Bochum 030004765002, 023600416001, 024400010001

 

Boldt, Hermann: Meilensteine der Bergtechnik, in: Glückauf 125, 1989, S. 23-52.

 

Brüggemeier, Franz-Josef u.a. (Hrsg.): Zeitalter der Kohle. Eine europäische Geschichte. Katalogbuch zur Ausstellung des Ruhr Museums und des Deutschen Bergbau-Museums auf der Kokerei Zollverein vom 27. April 2018 bis 11. November 2018, Essen 2018, S. 65.

 

Burgholz, Rudolf: Neuartige Möglichkeiten der Nachrichtenübermittlung im Bergbau, in: Glückauf 85, 1949, S. 486-490.

 

Busch, Josef/Gaßmann, Werner: Elektrische Fernmeldeeinrichtungen im Grubenbetrieb, Essen 1942. Fritzsche, Carl Hellmut: Lehrbuch der Bergbaukunde, Berlin u.a. 1959. Schunke, Erich: Neue Sprecheinrichtungen mit dynamischen Kapseln ohne Batterie für Abbaubetriebe, in: Glückauf 86, 1950, S. 630-634.