Der Schein trügt: Die Aktie der Bergbau-Aktien-Gesellschaft Medio-Rhein von 1858
Im Jahr 1856 wurde die Aktiengesellschaft Medio-Rhein als eine der frühesten im deutschen Bergbau gegründet. Das Grundkapital lag bei 500.000 Thalern Preussische Courant, repräsentiert durch 5000 Aktien mit einem Nominalwert von je 100 Thalern. Doch schon bald nach Gründung der Aktiengesellschaft und Ausgabe der Aktien gab es Probleme. Das in Duisburg unmittelbar am Rhein gelegene Grubenfeld versprach zwar gute Ausbeute, aber beim Abteufen brach Wasser ein. Auch in der Folgezeit wurde man des Wassers nicht Herr und entschied aufgrund fehlender weiterer Finanzmittel, die Arbeiten einzustellen. Die Bergbau-Aktiengesellschaft Medio-Rhein wurde 1867 schließlich aufgelöst.
Was heute noch an Medio-Rhein erinnert, sind die am 01. Februar 1858 ausgegebenen Aktien. Im Bergbau-Archiv Bochum befinden sich mehrere Exemplare des vom Künstler Theodor Mintrop (1814-1870) aufwendig gestalteten Anteilsscheins (montan.dok/BBA K 1089). Auf der Vorderseite werden die Angaben zu Wert, Nummer und Inhaber der Aktie durch Ranken eingerahmt. In diesem Rankengeflecht befinden sich zu beiden Seiten drei Putten, die Schildchen mit der Zahl 100, den Wert der Aktie, in die Höhe halten. Oben flankieren links der Götterbote Hermes und rechts die Göttin des Schicksals, Fortuna, noch innerhalb der Ranken das Wort „Aktie“. Unten auf der linken Seite zeigt sich dem Betrachter Rhenus, Vater Rhein, und ihm gegenüber der Gott Hephaistos, mit dem auf die Metallverarbeitung hingewiesen wird. Im unteren Teil des Bildes kommen zwei Zwerge aus einer Höhle hervor, der eine trinkt aus einem Weinbecher, der andere trägt eine Froschlampe und ein Bergeisen bei sich. Über der Höhle ist der verschnörkelte Schriftzug „Medio Rhein“ unterbrochen durch den Bergmannsgruß „Glück auf“ zu lesen. Davor sitzt ein weinseliger Jüngling, den Becher über den Kopf gehoben. Eine Frau kniet ebenfalls vor der Höhle. Sie schenkt Wein in einen weiteren Becher ein. Im Hintergrund der Darstellung sind Zechengebäude mit Malakowturm und eine Kokerei dargestellt, ein Pferd zieht Kohlewagen vom Zechengelände und in der Ferne ist noch eine Eisenbahn zu erkennen. Ein Schiff, eine Ruhraak, steht zum Beladen mit Kohle bereit. Die Botschaft des opulenten Bildes ist eindeutig: eine erfolgreiche Zukunft und reiche Ausbeute für das Unternehmen und dessen Aktionäre. Doch Fortuna meinte es nicht gut mit Medio-Rhein und so konnte, um im Bild zu bleiben, Hermes nur noch den Untergang des so hoffnungsvoll begonnenen Unternehmens verkünden.
Unter den sieben Exemplaren der Aktie, heute im Bergbau-Archiv Bochum verwahrt, befindet sich eines, das schon 1957 in den Besitz des damaligen Bergbau-Museums Bochum gelangte. 1950 schenkte Frau Junkermann, die sich als geborene Stöckmann bezeichnete (montan.dok/BBA 112/389), aus dem Nachlass ihres Vaters einen historischen Plan des Grubenfeldes der Bergbau-Aktien-Gesellschaft Medio-Rhein (montan.dok 010000289000) dem Museum. Sieben Jahre später erwarb das Museum von ihr die Aktie für die Abteilung 5 „Bergrecht, Bergbehörde, Bergwerkseigentum“. Neben den schon beschriebenen Darstellungen nennt diese Aktie als Inhaber Wilhelm Stöckmann aus Styrum, ein einflussreicher Landwirt, nach dem noch heute eine Straße in Oberhausen-Styrum benannt ist. Zudem ist die Aktie von den Vorstandsmitgliedern, A. [Alois Carl Hubert] Brockhoff, Carl Franz Brockhoff, G. [Gerhard] Stöckmann, L. [Ludwig] Dilthey und C. [Carl] Beindorff unterschrieben. Ein verwandtschaftliches Verhältnis des Inhabers und des Vorstandsmitglied Stöckmann ist zu vermuten, denn beide traten auch bei einem gemeinsamen Grundstücksverkauf in Styrum 1867 auf. Hinweise auf die weitere Geschichte der Aktie gibt die Rückseite. In dem dafür vorgesehenen Feld ist die Übertragung der Aktie im Jahr 1903 [!] von Wilhelm Stöckmann auf dessen Witwe erklärt. Die Aktie blieb also offenkundig im Besitz der Familie Stöckmann, bis sie dann durch die besagte Nachfarin in das Museum kam und schließlich in die Bestände des Bergbau-Archivs Bochum gelangte.
In der Sammlung K: Kuxe und Aktien des Bergbau-Archivs Bochum befinden sich 350 Aktien, darunter auch Schuldverschreibungen, aus dem In- und Ausland. Bei den Kuxen spielt vor allem der Erzbergbau eine wichtige Rolle. Prominent vertreten sind insgesamt auch Unternehmen des Steinkohlenbergbaus. Aktienen von Unternehmen in fernen Bergbauregionen, so beispielsweise das belgische Unternehmen Société des Mines d’Or de Kilo-Moto (montan.dok/BBA K 2104), im damaligen Belgisch-Kongo tätig, oder Minas Pedrazzini Gold and Silver Mining Company in Mexiko (montan.dok/BBA K 2041), gehören ebenfalls zu der Sammlung.
Einen wichtigen Teil des Bestandes machen 150 Kuxscheine aus. Diese Anteilsscheine wurden von bergrechtlichen Gewerkschaften, die im Bergbau bis weit in das 19. Jahrhundert typische Form der Unternehmen, ausgegeben. Die Personen, die einen solchen Schein besaßen, Gewerke genannt, hatten Anrecht auf eine Gewinnbeteiligung. Neben dieser Berechtigung an der Ausbeute waren sie aber auch zubußepflichtig, sie waren also verpflichtet, solche Investitionen, die den Jahresüberschuss überstiegen, anteilig ihres Kuxenbesitzes zu begleichen. Die hohen Kosten, die mit dem im 19. Jahrhundert beginnenden Tiefbau im Steinkohlenbergbau anfielen, waren durch dieses Modell kaum zu decken und ein hohes Risiko für den Einzelnen. Aktiengesellschaften versprachen hier eine Lösung in Form von ausreichendem Kapital für das Unternehmen. Zudem entfiel die Zubußepflicht für die beteiligten Personen und es lockten gute Dividenden. Bald zeigten sich aber auch mit dieser Unternehmensform Probleme. Oft war doch nicht genug Kapital vorhanden für nötige Investitionen und die versprochenen Dividenden konnten nicht gezahlt werden. Der Untergang der Bergbau-Aktien-Gesellschaft Medio-Rhein nicht lange nach ihrer Gründung ist nur ein Beispiel dieser Entwicklung in der Geschichte des deutschen Steinkohlenbergbaus.
Im Rahmen des Projektes „montan.dok 21“ war es möglich, die Objektgeschichte eines der Exemplare der Medio-Rhein Aktien genauer nachzuvollziehen. Auch die anderen im Bergbau-Archiv Bochum gesammelten Wertpapiere laden zu einer genaueren Betrachtung ein. Jede Aktie und jeder Kuxschein hat eine eigene Geschichte zu erzählen. Manche von ihnen erinnern an längst vergangene Unternehmen und zeugen, wie besonders im Falle der kunstvoll gestalteten Aktie von Medio-Rhein, vom Selbstbewusstsein und Anspruch der Gründungsmitglieder.
02. Mai 2019 (Dr. Maria Schäpers)
- Literatur
Montanhistorisches Dokumentationszentrum (montan.dok) beim Deutschen Bergbau-Museum Bochum/Bergbau-Archiv Bochum (BBA) K 1089, K 2041, K 2104 und 112/389
Montanhistorisches Dokumentationszentrum (montan.dok) beim Deutschen Bergbau-Museum Bochum 010000289000
Amtsblatt der Regierung zu Düsseldorf, Nr. 16, Düsseldorf, Donnerstag den 26. März 1857, in: Amtsblatt der königlichen Regierung zu Düsseldorf Jahrgang 1857, Düsseldorf 1857, S. 205-228.
Brinkmann, Bernd: Mülheimer Brauereien, Geschichte des Brauwesens in Mülheim an der Ruhr, Mülheim a. d. Ruhr 2008 (= Zeitschrift des Geschichtsvereins Mülheim a. d. Ruhr 81, 2008).
Kroker, Evelyn (Bearb.) unter Mitarbeit von Kikillus, Brigitte/Neumann, Gudrun/Sturm-Rodeck, Brigitte: Das Bergbau-Archiv und seine Bestände, Bochum 2001 (= Veröffentlichungen aus dem Deutschen Bergbau-Museum Bochum, Nr. 94 = Schriften des Bergbau-Archivs, Nr. 10).
Liste der Straßen in Oberhausen-Styrum, in: Wikipedia. Unter: https://de.wikipedia.org/wiki/Liste_der_Stra%C3%9Fen_in_Oberhausen-Styrum (Stand 15.02.2019).
Plückers, Hans-Joachim: Bergbau-Aktien-Gesellschaft Medio-Rhein zu Duisburg, Duisburg 2013 (maschinenschriftlich, unveröffentlicht). Trommen, Achim: Bergwerk Medio-Rhein, in: Fördergerüste im Ruhrbergbau. Unter: http://www.foerdergerueste.de/zeche_medio-rhein/medio-rhein-geschichte.htm (Stand 15.02.2019).
Ziegler, Dieter: Vorrang der Kohle. Wirtschafts-, Unternehmens- und Sozialgeschichte des Bergbaus. Unternehmensorganisation und Unternehmensverfassung, in: Tenfelde, Klaus (†)/Pierenkemper, Toni (Hrsg.): Geschichte des Deutschen Bergbaus, Bd. 3: Motor der Industrialisierung. Deutsche Bergbaugeschichte im 19. und 20. Jahrhundert, Münster 2016, S. 103-193.