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Das „Kukuk-Modell“ – Visualisierung des (un)bekannten Untergrunds oder wie sich ein Geologe ein Denkmal setzt

Die dreidimensionale Visualisierung gehört bis heute zu den Herausforderungen bei der Vermittlung der geologischen Gegebenheiten im Untergrund. Bis nach dem Zweiten Weltkrieg existierten für das Gebiet der Steinkohlenlagerstätte an der Ruhr an der Bergschule Bochum zwei Großmodelle aus den Jahren 1902 und 1914 im Maßstab 1:10.000. Insofern nahmen die Modelle raumfüllende Flächen ein und bildeten auf Basis markscheiderischer Vermessungen mit unterschiedlicher Genauigkeit das erforschte Wissen über den Untergrund zur jeweiligen Entstehungszeit ab.

Paul Kukuk (1877-1967), der sich als Wissenschaftler und Lehrer bei der Westfälischen Berggewerkschaftkasse (WBK) schon mit seinem 1938 erschienenen Werk zur Geologie des niederrheinisch-westfälischen Steinkohlengebietes, das heute noch als Standardwerk gilt, und mit dem er sich gleichsam ein Denkmal gesetzt hat, formulierte jedoch andere geologische Ansprüche an ein neues Modell (montan.dok 060003539001). Über das flözführende Karbon hinaus sollte es auch die allgemeinen geologischen Verhältnisse des Münsterschen Beckens und der Rheinischen Masse einschließen und damit auch die geologischen Sonderprobleme sowie die genetischen Einheiten des Gebietes wiedergeben. Paul Kukuk beschrieb den Entwurf des Modells 1948 ausführlich, demnach sollte es handlich sein und sich für den Geologieunterricht an der Bergschule in Bochum eignen.

 

Leicht schematisiert und im Maßstab 1:100.000 konstruiert, beruhte das Blockmodell auf den Erkenntnissen, die aus den für sein Buch (s.o.) neu entworfenen stratigraphisch-tektonischen Übersichtskarten gewonnen werden konnten. In dem in zwei Teile zerlegbaren Modell wurden neben der Tiefengestaltung der devonisch-karbonischen Ablagerungen mit den flözführenden Schichten die verschiedenen Glieder der das Steinkohlengebirge diskordant (winkeliges oder unregelmäßiges Aufeinanderliegen von Gesteinsschichten) überlagernden jüngeren Deckgebirgsformationen des Tertiärs, der Kreide sowie des Buntsandsteins und des Zechsteins gezeigt. Diese Einheiten sind durch vier Platten dargestellt, die mechanisch abgehoben werden können und so den Blick auf die unter dem Deckgebirge verborgene Rumpffläche des Karbons freigeben. Das nachfolgende Abheben der einzelnen Platten gibt zudem einen Eindruck von der präpermischen, der präcenomanen und der prätertiären Situation. Ergänzend muss erwähnt werden, dass die Anschaulichkeit durch eine fünffache Überhöhung erst wirklich gegeben ist und auch die quartäre Überdeckung aus diesem Grund vernachlässigt wurde.

 

Die dunklen Farben im Süden der beiden Modellteile symbolisieren das stark gefaltete devonische und karbonische Grundgebirge. Die Tertiärplatte als jüngstes Element mit dem Rhein im Westen liegt im südlichen Bereich dem Grundgebirge auf, nach Norden überlagert sie Buntsandstein und Zechstein und im Westen liegt sie auf der Oberkreide. Deutlich wird, wie im Westen Buntsandstein und Zechstein zwischen der Oberkreide und dem Karbon angeordnet sind. Hier befinden sich auch Salzlagerstätten, die im Modell dargestellt sind. Auf der östlichen Modellseite überdeckt die Oberkreide direkt das flözführende Karbon.

 

Das Modell ist in mehreren Ausführungen gefertigt worden. Das älteste Modell aus dem Jahr 1950 steht heute im Dachgeschoss der Technischen Hochschule Georg Agricola an der Herner Straße in Bochum zum Einsatz bei der Vermittlung der Lagerstättenverhältnisse im Hochschulunterricht. Ein weiteres Modell, erbaut 1952, ist heute Teil der Musealen Sammlungen des Montanhistorischen Dokumentationszentrums (montan.dok) des Deutschen Bergbau-Museums Bochum (DBM), Leibniz-Forschungsmuseum für Georessourcen, und befindet sich in der Dauerausstellung. Beiden Modellen gemeinsam ist ein elektrischer Antrieb, durch den die beiden Modellhälften getrennt und die das Karbongebirge überdeckenden Formationen nacheinander abgehoben werden können. Ein weiteres Modell ebenfalls aus dem Jahr 1952, das aber nur durch eine Handkurbel bewegbar war, befand sich in der Bergschule in Duisburg-Hamborn und ist heute ebenfalls Teil der Musealen Sammlungen des DBM/montan.dok. 

 

Paul Kukuk verstand es stets, für seine innovativen Vermittlungsansätze Menschen unterschiedlicher Fachrichtungen zu gewinnen. Handelte es sich in der Anfangszeit des Geologischen Museums ab 1919 vor allem um Maler und Bildhauer zur visuellen Vermittlung für dessen Besuchende, waren es für die Modelle für den Bergschulunterricht hervorragende Modellbauer, die ein entsprechendes Verständnis für die geologischen Zusammenhänge entwickeln mussten. Nach dem Ende seines eigentlichen Berufslebens bei der WBK 1947 wurde Paul Kukuk zwar von seinem Nachfolger Carl Hahne (1904-1994) abgelöst, schuf aber dennoch das hier vorgestellte Modell. Die Blockmodelle sind betitelt und datiert wie eine wissenschaftliche Publikation und mit dem Namen „Prof. Dr. P. Kukuk“ versehen. Insofern können die Modelle von Kukuk in ihren jeweiligen Ausprägungen als eine spezifische Form der wissenschaftlichen Publikation angesehen werden, die es für die Nachwelt zu bewahren gilt.

 

01. November 2024 (Dr. Michael Ganzelewski) 


Literatur

Montanhistorisches Dokumentationszentrum (montan.dok) des Deutschen Bergbau-Museums Bochum 060003539001.

 

Farrenkopf, Michael/Ganzelewski, Michael: Das Wissensrevier. 150 Jahre Westfälische Berggewerkschaftskasse/DMT-Gesellschaft für Lehre und Bildung. Katalog zur Sonderausstellung. Deutsches Bergbau-Museum Bochum vom 29. Juni 2014 bis 22. Februar 2015, Bochum 2014 (= Kretschmann, Jürgen/Farrenkopf, Michael [Hrsg.]: Das Wissensrevier. 150 Jahre Westfälische Berggewerkschaftskasse/DMT-Gesellschaft für Lehre und Bildung, Bd. 2; zugleich Veröffentlichungen aus dem Deutschen Bergbau-Museum Bochum, Nr. 198 = Schriften des Bergbau-Archivs, Nr. 29).

 

Kukuk, Paul: Geologie des niederrheinisch-westfälischen Steinkohlengebietes, Berlin 1938.

 

Kukuk, Paul: Ein neues geologisches Modell des Steinkohlengebirges an der Ruhr und seiner Deckgebirgsschichten, in: Glückauf 81/84, 1948, S. 615-620.

 

Mintrop, Ludger: Eine neue Darstellung der Steinkohlenablagerung im rheinisch-westfälischen Bezirk, in: Glückauf 50, 1914, S. 689-692.

 

Online-Portale: montandok.de. Unter: https://www.montandok.de/objekt_start.fau?prj=montandok&dm=Montanhistorisches%20Dokumentationszentrum&ref=254931 und museum-digital. Unter: https://nat.museum-digital.de/object/1094358 (Eingesehen: 17.10.2024).