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Fund des Monats: Verständigung unter Tage leichtgemacht: Ein Bildwörterbuch für griechische Bergleute

Auf knapp 100 Seiten fasste die Abteilung Ausbildungswesen der Hamborner Bergbau-Aktiengesellschaft im April 1962 „für ausländische Bergleute“ in Bild und Schrift die wichtigsten Begriffe des alltäglichen Lebens und der bergbaulichen Arbeit zusammen. Das Bildwörterbuch Griechisch-Deutsch sollte den aus Griechenland stammenden Mitarbeitern, die seit 1960 nach Hamborn kamen, beim Erlernen der für ihre Tätigkeit unabdingbaren Begriffe helfen.

„Im Berichtsjahr wurden 774 Bergleute neu angelegt und 914 Bergleute kehrten ab […]. Unter den Neuangelegten waren 369 Griechen, die in der Mehrzahl von der Deutschen Kommission in Athen vermittelt worden sind. Für den Steinkohlebergbau wird es immer schwerer, geeignete Männer zu finden. Unsere Gesellschaft sah sich gezwungen, ausländische Arbeitskräfte anzuwerben, und wird dies auch in Zukunft fortsetzen müssen.“ So lautet der im Ton leicht apologetische Bericht über die Einstellung der ersten griechischen Mitarbeiter durch die Hamborner Bergbau-Aktiengesellschaft in ihrem Geschäftsbericht für das Jahr 1960 (vgl. montan.dok/BBA 18/53). Tatsächlich sollte die Prognose zutreffen, auch in den Folgejahren kamen immer neue Bergleute aus dem Ausland hinzu. Neben Griechen waren es vor allem Türken, die die Belegschaft in Zukunft verstärken sollten.

 

Die Notwendigkeit, die Arbeit auf den Zechen mit Hilfe von Mitarbeitern mit Migrationshintergrund zu bestreiten, war nicht nur für die Hamborner Bergbau-AG in der damaligen Zeit gegeben. Der Bergbau sah sich zunehmend einem Verlust von Arbeitskräften gegenüber. Die Arbeit unter Tage verlor bei vielen Bergleuten an Attraktivität gegenüber anderen Berufen, zumal durch den Eindruck der Kohlenkrise der Arbeitsplatz auf lange Sicht nicht mehr als sicher galt. Für das Hamborner Gebiet äußerte sich der Arbeitsdirektor Theodor Terhorst 1962 in der Versammlung der Betriebsratsmitglieder ausführlich zur Entwicklung der Belegschaft in den vorherigen Jahren. Die Ansprache wurde in der Werkzeitschrift der Hamborner und der Friedrich Thyssen Bergbau AG mit dem Titel „Der Förderturm“ abgedruckt. Bei seiner Betrachtung ging er auch auf die Beschäftigung von mittlerweile „ziemlichen vielen Ausländern“ auf den Zechen ein. Er selbst habe sich ab 1955, als sich die Arbeitsmarktlage verschlechterte, so dass eine Werbung für den Bergbau in der Bundesrepublik nicht erfolgreich war, für die Anwerbung von Arbeitskräften im Ausland ausgesprochen. Zunächst wären solche Personen, „die zum deutschen Volkstum“ gehörten, ins Auge gefasst worden. Hierzu zählten Männer aus dem Gebiet Banat, Frankreichrückkehrer und Südtiroler. Nachdem diese Möglichkeiten erschöpft gewesen seien und die Lage auf dem Arbeitsmarkt sich weiter verschärft habe, sei mit der Einstellung von fremdsprachigen Neubergleuten und Bergleuten begonnen worden.

 

Ähnlich verhielt es sich bei anderen Unternehmen in dieser Zeit: Zunächst wurde die Hoffnung auf deutschsprachige Arbeitskräfte gesetzt, sich dann aber um fremdsprachige Mitarbeiter bemüht. Die von der Bundesrepublik Deutschland seit 1955 abgeschlossenen Anwerbeabkommen mit unterschiedlichen Ländern, die vor allem auf Initiativen der Anwerbeländer zurückgingen, waren damit schließlich auch für den Bergbau von Interesse. Seit 1960 bestand ein solches Abkommen mit Griechenland. In diesem Jahr kamen dann die schon genannten 369 Griechen, um als Bergleute für die Hamborner Bergbau-AG zu arbeiten.

 

Von seinen Bedenken gegenüber der Einstellung von fremdsprachigen Bergleuten aufgrund der sprachlichen Schwierigkeiten und der Gewöhnung an die fremde Lebensart, die für die deutschen Mitarbeiter eine zusätzliche Belastung mit sich bringen würde, sprach Terhorst 1962 vor den Betriebsratsmitgliedern. Mit diesen Bedenken stand Terhorst damals nicht alleine da. Die richtige Verständigung zwischen den Arbeitskräften mit Migrationshintergrund und der deutschen Belegschlaft war gerade in einem so gefahrenreichen Arbeitsfeld wie dem des Untertagebetriebs essentiell. Bevor die Männer einfahren durften, mussten sie daher eine Sprachprüfung bestehen. Das Bildwörterbuch sollte ihnen dabei helfen, diese sprachliche Hürde zu überwinden und den nötigen Wortschatz für ihre Arbeit zu erlernen. Auch auf anderen Zechen wurden ähnliche Wörterbücher eingesetzt, wie das Beispiel der Zeche Osterfeld der Bergbau-AG Neue Hoffnung, Oberhausen, zeigt (montan.dok/BBA 30/277). Hier kam u. a. ein Italienisch-Deutsches Bildwörterbuch zum Einsatz.

 

Wie hilfreich die aus Griechenland stammenden Männer das Bildwörterbuch beim Lernen empfanden, ist kaum zu sagen. Einige Hinweise, wie die neuen Mitarbeiter in Deutschland lebten, gibt die Werkzeitschrift „Der Förderturm“. Hierin wurde regelmäßig über die Mitarbeiter mit Migrationshintergrund berichtet. Es finden sich Artikel über die Ankunft von neuen Bergleuten in Deutschland, ihren Unterricht, die Sprachprüfungen und Besuche von Politikern ihrer Herkunftsländer, die sich vom Wohlergehen ihrer Landsleute in Deutschland überzeugen wollten. Kulturveranstaltungen wie Lichtbildvorträge in der jeweiligen Landesprache wurden in der Zeitschrift beworben. Berichte über die Freizeitgestaltung der ausländischen Bergleute, wie ein Fußball-Freundschaftsspiel zwischen Türken und Griechen aus dem Mitarbeiterkreis und ein Abend mit griechischer Volksmusik, fehlen ebenfalls nicht.

 

Im Rahmen des Projektes „montan.dok 21“ stellen wir regelmäßig besondere Objekte der Museumsbestände vor. Das Bildwörterbuch der Hamborner Bergbau-Aktiengesellschaft, das ein wichtiges Zeugnis der Beschäftigung von Mitarbeitern aus dem Ausland im Bergbau ist, wird in der Bibliothek des Montanhistorischen Dokumentationszentrum (montan.dok) verwahrt. Die Spezialbibliothek zur Bergbaugeschichte mit ca. 40 000 Monographien und mehr als 40 000 Zeitschriftenbänden, darunter auch die Werkzeitschrift „Der Förderturm“, steht auch externen Nutzern nach vorheriger Anmeldung für ihre Forschung zur Verfügung.

 

01. Oktober 2018 (Dr. Maria Schäpers)

 


Literatur

Montanhistorisches Dokumentationszentrum (montan.dok) beim Deutschen Bergbau-Museum Bochum/Bibliothek 33178

 

Montanhistorisches Dokumentationszentrum (montan.dok) beim Deutschen Bergbau-Museum Bochum/Bergbau-Archiv Bochum (BBA) 18/53 und 30/277

 

Seidel, Hans-Christoph: Die Bergbaugewerkschaft und die „Gastarbeiter“. Ausländerpolitik im Ruhrbergbau vom Ende der 1950er Jahre bis in der 1980er Jahre, in: Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte 64, 2014, H. 1, S. 35-68.

 

Tenfelde, Klaus: Schmelztiegel Ruhrgebiet. Polnische und türkische Arbeiter im Bergbau: Integration und Assimilation in der montanindustriellen Erwerbsgesellschaft, in: Mitteilungsblatt des Instituts für soziale Bewegungen 36, 2006, S. 7-28.

 

Terhorst, Theodor: Ursachen, Auswirkungen und Aussichten des Strukturwandels auf dem Energiemarkt, in: Der Förderturm. Werkzeitschrift der Hamborner und der Friedrich Thyssen Bergbau AG 37, 1962, H. 3, S. 3-14.

 

Yano, Hisashi: Migrationsgeschichte, in: Chiellino, Carmino (Hrsg.): Interkulturelle Literatur in Deutschland, Stuttgart u. a. 2007, S. 1-17.