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Fund des Monats: Funkengarben für mehr Sicherheit: Die Stahlmühlen im Deutschen Bergbau-Museum Bochum

Die Gefahr von Explosionen durch entzündete Grubengase wird von jeher im Bergbau gefürchtet. Erfindungen, die mehr Sicherheit in diesem Bereich versprachen, waren daher stets willkommen. So auch die „flint mill“ oder „steel mill“, auf Deutsch Stahlmühle, von Carlisle Spedding. Selbstverständlich ist sie in der umfangreichen Sammlung von Grubengeleucht des Deutschen Bergbau-Museums Bochum vorhanden und das gleich vier Mal.

1929 erhielt Dr.-Ing. Heinrich Winkelmann, der seit 1928 mit der Gründung eines Bergbau-Museums in Bochum beauftragt war, für den Ausstellungsteil „Geleucht“ eine ganze Reihe von Lampen von der Grubenlampenfabrik Friemann & Wolf GmbH in Zwickau. Dies geht aus der entsprechenden Akte hervor, die noch heute im Bestand: Deutsches Bergbau-Museum Bochum, Bochum, im Bergbau-Archiv Bochum aufbewahrt wird (vgl. auch im Folgenden montan.dok/BBA 112/1735). Die „Aufstellung der Lampensammlung für das Bergbau-Museum in Bochum“ von Friemann & Wolf listet unter dem Titel „Die ersten Sicherheitslampen“ auch eine Stahlmühle auf. Es wird auf den englischen Ingenieur Spedding als Erfinder hingewiesen, als Verwendungsjahr 1760 und England als „Grubengebiet“ angegeben. Als Erläuterung heißt es: „Durch Anpressen von Feuerstein gegen eine Stahlscheibe u. rasches Drehen der Stahlscheibe werden Sprühfunken erzeugt.“

 

Diese Stahlmühle (montan.dok 030014075000) war von Beginn an in der Ausstellung des damaligen Bergbau-Museums Bochum zu sehen. Im ersten Museumsführer von 1931 ist eine Abbildung der Sicherheitslampe auf Seite sieben zu finden. Neben dem Wirkprinzip wird als Beschreibung erwähnt, dass eine eigene Person nur für das Betreiben des Geleuchts benötigt wurde, wobei dazu oftmals „ein Knabe oder Invalide“ herangezogen worden sei. Weiter wird erklärt: „Die Beleuchtung war sehr unzureichend und außerdem nicht einmal unter allen Umständen sicher.“ Tatsächlich war Carlisle Spedding davon ausgegangen, dass die mit dem Feuerstein erzeugten Funken zu schwach waren, um ein unter Tage auftretendes, gefährliches Gemisch aus Methan und Sauerstoff zu entzünden. Darin irrte er, denn die Funken erreichen sehr wohl die nötige Temperatur von 650 °C. Die Glühdauer eines einzelnen Funkens ist zwar zu kurz, um die Explosion einzuleiten, doch die Lampe erzeugt einen ununterbrochenen Funkenflug. So führte die Bedienung von Stahlmühlen nachweislich zu einigen Schlagwetterexplosionen. Immerhin kam das ungewöhnliche Geleucht noch bis in die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts zum Einsatz.

 

In den 1950er-Jahren wurde der Lampe dann wieder mehr Aufmerksamkeit im damaligen Bergbau-Museum Bochum zuteil. Der Kustos des Museums, Julius Raub, nahm nach zwölfjährige Pause im März 1954 wieder Fühlung zu Dr. Breuer vom Musées Royaux d’Art et d’Histoire in Belgien auf (vgl. auch im Folgenden montan.dok/BBA 112/937). Raub erinnerte Breuer an den damaligen Kontakt, der unter anderem zum Tausch von Feuersteinfunden zwischen den beiden Museen geführt hatte, und berichtete dem belgischen Kollegen von den Tätigkeiten des Museums im Bereich des Feuersteinbergbaus. Er schrieb nun vom Wunsch in Bochum, ein Modell des Feuersteinbergbaus in Spiennes zu bauen, und bat um entsprechende Zeichnungen. Breuer bekundete in seinem Antwortschreiben seine Freude über den erneuerten Kontakt nach Bochum, zumal er selbst gerade dabei sei, in Spiennes ein Feuersteinmuseum einzurichten. Er erhoffte sich daher auch Unterstützung vonseiten des damaligen Bergbau-Museums Bochum. Vor allem der Austausch von Objekten schwebte ihm vor. Am Ende seines Briefes fragte er, ob in Bochum die „Flint mill“ bekannt sei und man dort schon einmal ein Modell einer solchen gesehen habe. Raub schrieb zurück, dass das Museum sogar über eine Stahlmühle verfüge, sandte ein Bild mit und bot auch Hilfe bei einer Nachbildung an. Tatsächlich bat Breuer um genauere Angaben über die Lampe, um sie nachbauen zu können. Nun schrieb Winkelmann zurück und schickte eine Zeichnung der Stahlmühle. Der Bochumer Museumsdirektor musste aber zugeben, dass die besagte „Maschine nicht aus Stahl sei, sondern aus Schmirgel“ anstelle von Feuerstein sei Cermetall eingesetzt worden. Er vermutete so eine „verhältnismäßig späte Bauart“. Die besagte Lampe, die aus der Sammlung von Friemann & Wolf stammt, ist also keine Stahlmühle ursprünglicher Bauweise.

 

Ein Jahr später traf Winkelmann Mr. Fred Lebeter, den Leiter der Bergbauabteilung im Science Museum in London (vgl. auch im Folgenden montan.dok/BBA 112/945). Das Treffen fand im Musée des Travaux Publics in Paris statt. Auch Lebeter freute sich über den erneuten Kontakt zum Bergbau-Museum Bochum, das er schon im Jahr 1938 besucht hatte (montan.dok/BBA 112/763). Die beiden Kollegen tauschten sich über ihrer Arbeit aus und Winkelmann bat Lebeter, Zeichnungen und Fotos einer Stahlmühle, die sich im Science Museum befand, für einen Nachbau dem Bergbau-Museum Bochum zu überlassen. Offenkundig war der Wunsch groß, wenn man schon kein Original der Spedding’schen Erfindung besaß, dann zumindest eine originalgetreue Nachbildung zu erhalten. Mr. Lebeter hielt Wort. Er schickte eine Zeichnung (montan.dok/030140408001, Grafik) und zwei Fotos (montan.dok 023900096000) der Stahlmühle aus London. Hier wurden 1957 in den Werkstätten anhand dieser Vorlagen zwei Repliken gefertigt (montan.dok 030001404000 und 030140408001). Sie sind noch heute, genau wie das Stück aus der Sammlung von Friemann & Wolf, Teil der Musealen Sammlungen des Deutschen Bergbau-Museums Bochum, die im Montanhistorischen Dokumentationszentrum betreut werden.

 

Die vierte Stahlmühle kam schließlich gut drei Jahrzehnte nach der Fertigung der Nachbildungen in das DBM. Wilhelm Spanier überließ 1989 über 330 Grubenlampen seiner Geleuchtsammlung dem DBM. Zu dieser Sammlung gehörte auch eine Stahlmühle (montan.dok 030001852137). Diese Stahlmühle ist ebenfalls eine Nachbildung, allerdings fehlen in diesem Fall genauere Angaben zum Hintergrund der Replik.

 

Ganz unterschiedlich und spannend ist bei näherer Betrachtung der Hintergrund des Erwerbes bzw. des Nachbaus der Lampen, ein guter Grund sie auch weiterhin zu bewahren.

 

Die Aufarbeitung des Bestandes 112: Deutsches Bergbau-Museum Bochum, Bochum, im Rahmen des Projektes „montan.dok 21“ ermöglicht, die Objektgeschichten der Stahlmühlen im Besitz des Museums näher zu beleuchten. Anhand dieser Grubenlampe lässt sich zudem ein Stück weit die Arbeit im Museum bis in seine Anfänge nachverfolgen. Dabei werden die schon früh bestehenden internationalen Kontakte des Museums sowie das stete Bemühen deutlich, Objekte nicht nur des deutschen Bergbaus, sondern auch des weltweiten zu sammeln, zu bewahren und auszustellen.

 

02. Mai 2019 (Dr. Maria Schäpers)

 


Literatur

Montanhistorisches Dokumentationszentrum (montan.dok) beim Deutschen Bergbau-Museum Bochum/Bergbau-Archiv Bochum (BBA) 112/763, 112/937, 112/945 und 112/1735

 

Montanhistorisches Dokumentationszentrum (montan.dok) beim Deutschen Bergbau-Museum Bochum 023900096000, 030001404000, 030001852137, 030014075000, 030140408001 und 030140408001 Grafik

 

Fober, Leonhard: Stahl und Flint als Grubengeleucht, in: Weisgerber, Gerd/Slotta, Rainer/Weiner, Jürgen (Hrsg.): 5000 Jahre Feuersteinbergbau. Die Suche nach dem Stahl der Steinzeit, Bochum 1980 (Veröffentlichungen aus dem Deutschen Bergbau-Museum Bochum, Nr. 22), S. 364.

 

Heise, Fritz/Winkelmann, Heinrich: Das geschichtliche Bergbau-Museum Bochum, Gelsenkirchen 1931. Winkelmann, Heinrich: Die Entwicklung der Grubenlampe, o. J., o. O., Sonderdruck aus der Werkszeitschrift-Hibernia 10, Folge 1-3, um 1942.