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Das passt in keine Werkzeugkiste

Möbelaufbau, Fahrradreparatur oder Autoreifenwechsel – wer hat nicht schon einmal einen Schrauben- oder Steckschlüssel genutzt? Entweder beim eigenen Werkeln oder zumindest beim Anreichen an die (selbst) ernannte Fachkraft lag das Werkzeug schon einmal in den Händen. Doch wozu passt ein Instrument von über zwei Metern Länge?

Die Lösung ist zumindest im Deutschen Bergbau-Museum Bochum leicht. Es passt zu einer Gestängepumpe der Zeche Oberhausen. Von 1892 bis 1909 war sie dort für die Wasserhaltung, das heißt für das Abpumpen des in das Steinkohlenbergwerk eindringenden Wassers, in Gebrauch. Zwischen 1909 und 1926 wurde sie noch aushilfsweise eingesetzt. Die über Tage aufgestellte Antriebsmaschine betrieb durch das in den Schacht herabhängende Gestänge mehrere übereinander angeordnete Pumpen, so genannte Drucksätze. Das Wasser wurde dementsprechend über einige Etappen zu Tage befördert. Jede Pumpe hob der jeweils über ihr stehenden das Wasser zu. Zwei Zylinder besaß die Antriebsmaschine, die auf einem Podest im ersten Stock des Pumpenhauses stand. Von ihnen griffen die Kolben an den darunter befindlichen Schwingbaum, den Balancier. Dieser glich zusammen mit einem Gegengewicht das Gewicht der Gestänge aus. Das Gegengewicht bemaß sich auf 100 Tonnen.

 

Von der Anlage ist heute nur noch einer der Pumpensätze bestehend aus Saug-, Steige- und Kolbenrohr, Saug- und Druckventil sowie Kolben mit einer Bemessung von 14 Metern erhalten (montan.dok 030021097001). Zudem wird eine der Pleuelstangen, immerhin 12 Meter lang und 25 Tonnen schwer, im LVR-Industriemuseum Oberhausen verwahrt. Die Ausmaße der Konstruktion waren dementsprechend gewaltig. Kein Wunder, dass riesenhafte Werkzeuge für die Pumpe benötigt wurden. Neben dem schon genannten Pumpensatz erhielt das damalige Bergbau-Museum Bochum 1960 zwei Werkzeuge geschenkt.

 

Hintergrund war die drohende Verschrottung der Pumpe, die nach ihrer endgültigen Außerbetriebnahme noch Besucherinnen und Besuchern als Teil der Werksausstellung der Gutehoffnungshütte auf dem Zechengelände bis Anfang des Zweiten Weltkrieges gezeigt worden war. Der Platz wurde für andere Zwecke benötigt, und die Verfüllung der Schächte der Zeche stand bevor.

 

Die damals verantwortliche Bergbau-Aktiengesellschaft Neue Hoffnung wandte sich daher im September 1959 unter Hinweis auf den historischen Wert der Maschine an das Museum. Das Schreiben, weitere Korrespondenz und die Dokumentation zu der Schenkung sind im Bergbau-Archiv Bochum überliefert (vgl. auch im Folgenden montan.dok/BBA 112/395). Anfangs bestanden sogar Überlegungen, die gesamte Anlage nach Bochum zu bringen. Doch die Kosten und der Aufwand, so vermerkte der seinerzeitige Museumsdirektor Dr.-Ing. Heinrich Winkelmann, überstiegen die Möglichkeiten des Bergbau-Museums Bochum bei weitem. Abbau, Transport und Neubau eines entsprechenden Gebäudes bei dem Museum schätzte Winkelmann auf insgesamt 300.000 DM. Wie schon bei der Feuermaschine der Saline Königsborn entschied man sich deshalb für den Bau eines Modells und die Übernahme einzelner Teile.

 

Die Modellwerkstatt Dirksen wurde mit dem Bau des Modells beauftragt, die Finanzierung übernahmen die Hüttenwerk Oberhausen Aktiengesellschaft als Nachfolgerin der Bergbau-Aktiengesellschaft Neue Hoffnung (vgl. montan.dok/BBA 112/395 und 112/1820). Im November 1961 waren die Arbeiten an dem Modell fertiggestellt.

 

In dem Modell (montan.dok 030210101000), das sich im Depot der Musealen Sammlungen des Montanhistorischen Dokumentationszentrums (montan.dok) befindet, werden zwei Männer auf der Höhe des Schwingbaums beim Tragen eines gewaltigen Schraubenschlüssels gezeigt. Die Körperhaltung lässt eine größere Anstrengung bei der Tätigkeit vermuten. Wozu der Schraubenschlüssel hier zum Einsatz kommen soll, lässt die Szene jedoch leider nicht erkennen. Aus den genannten schriftlichen Unterlagen geht hervor, dass ein besonderes Interesse Winkelmanns an „eine[r] der gewaltigen Schrauben, mit denen die Zylinder verankert waren, und de[m] dazugehörigen Schlüssel bestand“ (auch im Folgenden montan.dok/BBA 112/395). Diesen Schraubenschlüssel und die Schraube, so bestätigte die Hüttenwerk Oberhausen Aktiengesellschaft, sollte das Museum bekommen. Tatsächlich befindet sich noch heute besagter zwei Meter langer Schraubenschlüssel (montan.dok 030021097002) in den Musealen Sammlungen. Dazu passend eine Mutter (montan.dok 030021097004) und darüber hinaus ein gut eineinhalb Meter großer Steckschlüssel (montan.dok 030021097003).

 

Das Werkzeug wird wohl eigens für Aufbau-, Wartungs- bzw. Reparaturzwecke angefertigt worden sein. Wie oft es zum Einsatz kam, wieviel Arbeitskraft für die Bedienung nötig war und ob auch weitere Hilfsmittel dabei zum Einsatz kamen, darüber lassen sich heute allenfalls Vermutungen anstellen.

 

Das Modell gibt einen guten Eindruck von dem Ensemble. (Teil-)Zeichnungen der Wasserhaltung (montan.dok/BBA 112/395 und montan.dok 030007159001) und die bei der damaligen Begutachtung der Maschine erstellten Fotografien (montan.dok 023800103000) und Stereofotografien (montan.dok 120160157301 bis 120160158101), die heute in der Fotothek des montan.dok verwahrt werden, ergänzen diese gut. Die Gestängepumpe konnte zwar nicht in Gänze erhalten werden, aber das montan.dok sorgt durch die Überlieferung in seinen einzelnen Bereichen letztlich für die Bewahrung eines für den Steinkohlenbergbau wichtigen technischen Objektes.

 

01. Juli 2021 (Dr. Maria Schäpers)

 


Literatur

Montanhistorisches Dokumentationszentrum (montan.dok) beim Deutschen Bergbau-Museum Bochum 120160157301-120160158101, 023800103000, 030007159001, 030021097001, 030021097002, 030021097003, 030021097004, 030210101000

 

Montanhistorisches Dokumentationszentrum (montan.dok) beim Deutschen Bergbau-Museum Bochum/Bergbau Archiv Bochum (BBA) 112/395 und 112/1820

 

Bergbaumuseum Oelsnitz/Sachsen: Mutternschlüssel der Dampffördermaschine, in: https://www.bergbaumuseum-oelsnitz.de/aktuelles/objekt-des-monats/objekt-des-monats-detail/73.html (Stand 11.06.2021).

 

Selbach, Karl: Illustriertes Handlexikon des Bergwesens, Leipzig 1907.

 

Slotta, Rainer: Die Dauerausstellungen, in: Ders. (Hrsg.): 75 Jahre Deutsches Bergbau-Museum Bochum (1930 bis 2005). Vom Wachsen und Werden eines Museums, Bd. 2, Bochum 2005 (= Veröffentlichungen aus dem Deutschen Bergbau-Museum Bochum, Nr. 134), S. 613-748.

 

LVR-Industriemuseum Oberhausen: Pressemitteilung „Gigantische Pleuelstange ist eingetroffen“, in: https://industriemuseum.lvr.de/de/energiewenden_2/presse_4/anlieferung_pleuelstange_1/anlieferung_pleuelstange_1.html (Stand 11.06.2021).