Buntes Blech für kleine und große Bergleute
Die farbenfroh bedruckte Bahn (montan.dok 030006248001) aus gestanzten, gedrückten und gekanteten Eisenblechen ist durch den Einbau von zwei Gelenken faltbar und in dem zugehörigen, ebenfalls farbig bedruckten, originalen Stülpdeckelkarton passgenau verstaubar. Einlagen in der Schachtel existieren nicht. Man würde vermutlich aus heutiger Sicht von einer nachhaltigen Verpackung sprechen können. Die Motive auf dem Karton und der Bahn selbst muten für die Zeit ihrer Entstehung beinahe futuristisch an. Man kann annehmen, dass einige Elemente wie stählerne Fördergerüste und Gebäude reale Vorlagen hatten. Auf einer Seite der Bahn ist eine Architektur zu erkennen, die an Gebäudeentwürfe der Architekten Fritz Schupp und Martin Kremmer erinnert. Andere Formen und Anordnungen sind wohl eher der Phantasie entsprungen. So ist das Motiv auf dem Karton so ein Phantasieprodukt. Hier fährt eine kleine Lokomotive mit einem angehängten Förderwagen eine abenteuerlich erscheinende Rampe hinauf und in der Höhe durch ein Fördergerüst. Dies entspricht so in etwa auch dem Spielaufbau. Das Spielzeug besticht durch seine Funktion bei scheinbarer Einfachheit der Konstruktion: Angetrieben durch ein aufziehbares Uhrwerk fährt eine Lokomotive aus Blech mit angehängtem Förderwagen einen „Förderberg“ hinauf. Oben angekommen trennen sich beide und rollen zunächst in entgegengesetzter Richtung bergab. Rückwärts rollend holt die Lok ihren Förderwagen wieder ab, und der Vorgang wiederholt sich, bis das Uhrwerk im Inneren der Lokomotive abgelaufen ist. Erst dann kommt das Spielzeug zum Stillstand.
Videosequenz von der Technofix Förderbahn im Spielbetrieb
Faszinierend einfach und dennoch bis ins Detail ingenieurtechnisch durchdacht, erscheint die Förderbahn 1959 mit der Artikelnummer 294 im Verkaufskatalog der Marke Technofix. Mit einem für die Zeit stattlich erscheinenden Preis von 78 DM bringt die Firma Gebr. Einfalt, Blechspielwarenfabrik Nürnberg den 49. Artikel ihrer Nachkriegsproduktion auf den Markt. Die aufgedruckten Hinweise „MADE IN WESTERN GERMANY, „D.B.G.M“ (Deutsches Bundes-Gebrauchsmuster), „BRIT. PATENT PEND.“, „BREVET DEMANDÉ“ (Patent angemeldet) und „BREVETTO ET MODELLO D´UTILITA DEPOSITATO“ (Patent und Gebrauchsmuster angemeldet) auf einer Seite des Spielzeugs verweisen auf den internationalen Vertrieb und die Sicherung von Patent und Gebrauchsmuster in deutscher, englischer, französischer und italienischer Sprache.
1922 hatten die Brüder Georg (1893-1953) und Johann (geb. 1885) Einfalt in Nürnberg das Unternehmen Gebr. Einfalt gegründet. Die Firma, die vor allem vom Export der Produkte in die USA, Canada, Holland, Belgien, Schweiz, Schweden und Italien lebte, hatte sich schon knapp 15 Jahre nach der Gründung zu einer der größten Spielwarenfabriken im Nürnberger Raum entwickelt. Nur wenige Jahre nach der Firmengründung konzentrierte man sich auf die Produktion von mechanischen Produkten, für die auch die notwendigen Uhrwerke im eigenen Betrieb hergestellt wurden. Die Spielzeuge aus Blech waren zunächst einfach und wurden damals vermutlich eher für männliche Zielgruppen gefertigt. Es dominieren in der Frühzeit des Unternehmens Tier- und Figurendarstellungen, oft als bewegliche Paare, Flugzeuge, Fahrzeuge, Schiffe und U-Boote. Mädchen- und Frauendarstellungen zählen dabei eher zu den selteneren Motiven sowie auch Schöpfungen, die vermutlich eher für Mädchen gedacht waren wie das mechanische Baby (Artikelnummer 219) oder das Mädchen auf dem Nachttopf (Artikelnummer 197). Bevor der Betrieb im Zweiten Weltkrieg auf die Produktion von Gasmaskenfilter umstellte, erschien als letzter Vorkriegsartikel noch die Tänzerin (Artikelnummer 244), eine sich drehende Ballerina. Während der Nachkriegsproduktion ab 1948 setzte die Firma auf erfolgreiche Artikel aus der Vorkriegszeit. Figuren und Fahrzeuge liefen jedoch nicht so wie erhofft, und so verlegte man sich ab 1958 vor allem auf Bahnen mit verschiedenen Spiel- und Lerneffekten unter dem bekannten Markennamen „Technofix“.
Über die Motivation zur Herstellung der Förderbahn kann höchstens spekuliert werden. Bei den zahlreichen Bahnen aus der Produktion der Firma Gebr. Einfalt Blechspielwarenfabrik GmbH dominierten ab 1958 Motive aus dem Verkehrswesen. Der wachsende motorisierte Verkehr findet sich ebenso darunter wie das Freizeitverhalten der Bevölkerung. Camping- und Berglandschaften, Rummelplätze und Sportanlagen, aber auch die Eroberung des Weltraums waren die Themen. Eher die Ausnahme ist die Förderbahn, in der klar der Steinkohlenbergbau zu erkennen ist. Zur Zeit des Erscheinens des Spielzeugs hatte dieser in Deutschland aufgrund sinkender Förderzahlen mit Beginn der Kohlenkrise seinen Zenit schon überschritten. Den wirtschaftlichen Veränderungen zum Trotz, fand das Spielzeug trotzdem Einzug in das Produktsortiment und in die Kinderzimmer. Das Blechspielzeug ergänzt eine alltagsgeschichtlich-kulturelle Ebene innerhalb der Musealen Sammlungen. Hierzu gehören neben weiteren Spielzeugen auch Gesellschaftsspiele (z.B. montan.dok 030006210001) oder Objekte aus dem Freizeit-Modellbau (z.B. montan.dok 030006247001) sowie solche auch aus dem erzgebirgischen Kunstgewerbe (z.B. Körnernüsse montan.dok 030007563001).
1. Dezember 2023 (Dr. Michael Ganzelewski)
- Literatur
Montanhistorisches Dokumentationszentrum (montan.dok) beim Deutschen Bergbau-Museum Bochum 030006248001
Farrenkopf, Michael/Ganzelewski, Michael/Przigoda, Stefan/Schnepel, Inga/Slotta, Rainer (Hrsg.): Glück auf! Ruhrgebiet – Der Steinkohlenbergbau nach 1945. Katalog der Ausstellung des Deutschen Bergbau-Museums Bochum vom 6. Dezember 2009 bis 2. Mai 2010, Bochum 2009 (= Veröffentlichungen aus dem Deutschen Bergbau-Museum Bochum, Nr. 169; = Schriften des Bergbau-Archivs, Nr. 21).
Warnecke, Dieter: „Technofix“. Die Geschichte der Gebrüder Einfalt. History and Products, 2. Auflage, Baden-Baden 2006.
Online-Portale: montan.dok.de. Unter: https://www.montandok.de/objekt_start.fau?prj=montandok&dm=Montanhistorisches%20Dokumentationszentrum&ref=205402 und museum-digital. Unter: https://nat.museum-digital.de/object/1193958 sowie Deutsche Digitale Bibliothek. Unter: https://www.deutsche-digitale-bibliothek.de/item/M2VRWKT2PWSHILEN56UEFIGBREU4FTXY (Eingesehen: 21.11.2023).