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Halt! Stopp! Ein Schlag für die Sicherheit

„Juppchen wollte die Hand heben und winken, zum letzten Mal, lebe wohl… – – Da im selben Augenblick fiel etwas unendlich Schweres herab und traf ihn mitten in das erhobene Gesicht. Wie ein nasser Sack klatschte er breit hin und erhob sich nicht wieder. […] Der Grubenarzt, der Juppchen den Totenschein ausschrieb, setzte trocken hinzu: er wurde von einem in den Schacht herabfallenden Pferdekopf erschlagen“ (Zech, Pferdejuppchen, S. 39).

Das – zugegeben – ziemlich finstere Ende von Paul Zechs Erzählung „Das Pferdejuppchen“ (1910), in der ein Junge im Schacht von dem bei der Seilfahrt abgetrennten Kopf seines Lieblingsgrubenpferdes erschlagen wird, das er eigentlich hatte freikaufen wollen, macht deutlich, dass die Schachtfahrung immer mit gewissen Gefahren verbunden war. Ein Pferd im Förderkorb war allerdings mit Sicherheit eine spezielle Herausforderung, die noch bis 1966 bestand, als das letzte Grubenpferd seinen Dienst quittierte.

 

Doch auch in späteren Zeiten unterlag die Seilfahrt immer ganz besonderen Sicherheitsvorkehrungen, um einen gefahrlosen Transportweg für Mensch und Material zu gewährleisten. Einen wichtigen Pfeiler im Bereich der Seilfahrt stellte die Signalgebung dar, die jeweils bergwerksintern über festgelegte Signalmuster ablief. Ein Objekt, das von diesen Mustern berichtet, ist die Signaltafel der Zeche Zweckel (montan.dok 037000534001), welche in den Musealen Sammlungen des Montanhistorischen Dokumentationszentrums (montan.dok) des Deutschen Bergbau-Museums Bochum (DBM) bewahrt wird. Es handelt sich um eine 128 x 60 cm große Kunststoffplatte in signalgelber Grundfarbe. Sie wartet mit allerlei wichtigen Informationen zu Seilfahrt und Signalverwendung auf, wie beispielsweise der Einschränkung, dass nur Anschläger und Selbstfahrer überhaupt zum Geben der Signale berechtigt seien.

 

Wie eben diese Signale dann genau gelautet haben, ist tabellarisch auf der Tafel aufgelistet: So sind zum Beispiel für „Halt“ einer, für „Auf“ zwei und für „Hängen“ (= Ab) drei Signalschläge abzugeben. Diese Zuordnung war im gesamten deutschen Steinkohlenbergbau in der Regel identisch. Der Hintergrund dieser universellen Lösung ist insbesondere im Signal für Halt zu suchen, welches das mit einem Schlag kürzeste Signal ist. So konnte das Stoppen des Seils in Gefahrensituationen schnell und unmissverständlich angefordert werden. Zudem ist das Signal einigermaßen wenig anfällig für Störungen, die durch eine unvollständige Signalübermittlung eintreten können. 

 

Wie die Gestaltung des Exemplars mit gedruckter und handgeschriebener Schrift vermuten lässt, handelt es sich bei dieser Art Tafeln um vorgefertigte, standardisierte Vorlagen. Sie wurden dann durch die jeweils nötigen Ergänzungen oder auch durch Abkleben von Informationen an die jeweiligen Gegebenheiten und Bedürfnisse vor Ort angepasst. So lässt sich dieser speziellen Tafel, die auf Schacht 1 der Zeche Zweckel in Gladbeck ihren Dienst getan hat, entnehmen, dass dort lediglich die Fahrt auf dem obersten Tragboden gestattet war. Außerdem sind die zu gebenden Signale für die Selbstfahrerseilfahrt mit einem gelben Klebestreifen abgeklebt. Ursprünglich waren hierfür – die Zahl schimmert noch durch – vier Schläge vorgesehen. Die Beschränkung auf den obersten Tragboden hängt möglicherweise damit zusammen, dass auf dem Schacht 1 der Zeche Zweckel nach der Zusammenlegung mit Scholven (1928/29) bereits ab 1963 keine Kohle mehr gefördert und er lediglich zur Wasserhaltung und Bewetterung bis zur endgültigen Verfüllung 1995 offengehalten wurde. Eine Förderung auf mehreren Böden war also entweder nicht mehr nötig oder gar nicht mehr möglich.

 

Ob der Unfall, den Paul Zech in seiner Novelle beschreibt, nicht nur auf die fehlenden seitlichen Gitter bzw. Wände am Förderkorb, oder auch auf mangelnde Kommunikation – das Pferd hätte ja zumindest einmal warnend wiehern können – zurückzuführen ist, sei einmal dahingestellt. Die beschriebene Signaltafel jedenfalls ist eine erste bedeutende Stufe in der Kommunikationstechnik unter Tage und ein wichtiger Zeuge der hohen Sicherheitsstandards im deutschen Steinkohlenbergbau.

 

 

01. Februar 2022 (Philip Behrendt, B.A.)

 


Literatur

Montanhistorisches Dokumentationszentrum (montan.dok) beim Deutschen Bergbau-Museum Bochum 037000534001

 

Brokfeld, Jens: Kommunikationstechnik unter Tage und die Geschichte des Grubentelefons, unter: https://www.bergbau-sammlungen.de/de/aktuelles/kommunikationstechnik-unter-tage-und-die-geschichte-des-grubentelefons (Eingesehen, 17.01.2022).

 

Fritzsche, Carl Hellmut: Lehrbuch der Bergbaukunde, Bd. 1, 10., völlig neubearbeitete Auflage, Berlin/Göttingen/Heidelberg 1961.

 

Huske, Joachim: Die Steinkohlenzechen im Ruhrrevier. Daten und Fakten von den Anfängen bis 2005, Bochum 2006.

 

Zech, Paul: Das Pferdejuppchen, in: Martinez, Matias (Hrsg.): Paul Zech: Der schwarze Baal. Novellen, Göttingen 1989, S. 22-39.

 

Online-Portale: montandok.de. Unter: https://www.montandok.de/objekt_start.fau?prj=montandok&dm=Montanhistorisches+Dokumentationszentrum&ref=282617 und museum-digital. Unter: https://nat.museum-digital.de/object/1072311 (Eingesehen: 28.01.2022).