„… für Ihre aufrichtige Unterstützung“ – Eine Ehrengabe der Pohang Iron & Steel Co. Ltd., Südkorea
Die Ehrengabe (montan.dok 030007969001) wurde anlässlich des 20-jährigen Gründungsjubiläums von POSCO übergeben, um Middelmann für seine Unterstützung in der Aufbauphase des Unternehmens zu danken. Middelmann wurde im heutigen Herne geboren und begann 1948 seine Arbeit für die Kokereianlagen-Baufirma Dr. C. Otto in Bochum-Dahlhausen, deren Vorsitzender der Geschäftsführung er von ca. 1969 bis 1986 war. Das Unternehmen baute – ab 1979 unter dem neuen Eigentümer Salzgitter AG – bis zur Übernahme durch den ehemaligen Konkurrenten Carl Still 1985 als eines der in der Branche führenden Unternehmen weltweit Kokereianlagen, darunter auch in Südkorea.
Die Beziehung zwischen POSCO und Dr. C. Otto begann 1971, als die deutsche Firma über ihre japanische Tochtergesellschaft Nihon Otto den Auftrag für die Ausbaustufe I des ersten Stahlwerks in Pohang erhielt. Dies war zugleich der größte Auftrag eines Einzelkunden für das Unternehmen bis dahin. Bis 1980 beauftragte POSCO direkt Dr. C. Otto mit dem Bau sämtlicher Kokereianlagen des Werks in seinen fünf Ausbaustufen. Ebenso erteilte POSCO die Aufträge für die ersten Ausbaustufen des zweiten, auf den Export fokussierten Werks in Kwangyang. Deren letzte Ausbaustufen und weitere Anlagen wurden von den Nachfolgern Still Otto GmbH und Thyssen Still Otto Anlagentechnik GmbH gebaut. Offenbar vertraute POSCO auch hier weiterhin in die Expertise der deutschen Firma.
In seiner Position als Geschäftsführer war Middelmann u. a. für die Organisation von Aufträgen wie derer von POSCO verantwortlich. Zu diesem Zweck unternahm er auch mehrfach Reisen, bei denen Fotos entstanden, die als Teil seines Nachlasses im Bestand montan.dok/BBA 299: Friedrich Wilhelm Middelmann, Bochum - Geschäftsführer Dr. C. Otto und Comp., im montan.dok/Bergbau-Archiv Bochum verwahrt werden und einsehbar sind (montan.dok/BBA 299/22-25). Zudem betreute er die Tochterfirmen in Japan und Indien (Nihon Otto und Otto India), die an den Aufträgen von POSCO beteiligt waren.
Die Arbeit Middelmanns stand vor allem in den letzten Jahren seiner Karriere im Zeichen einer Flaute in der Branche des Kokereianlagenbaus aufgrund der Stahlkrise der 1970er- und 1980er-Jahre. Verschiedene Faktoren, darunter auch die wachsende Konkurrenz auf dem Weltmarkt durch die Stahlherstellung in Ländern wie u. a. Südkorea, führten zu ausbleibenden Gewinnen bei etablierten Stahlherstellern. Durch die Abhängigkeit der Koks- von der Stahlproduktion ging die Nachfrage für den Bau neuer Anlagen auf dem nationalen wie auch internationalen Markt ab 1982 stark zurück und verschärfte den Verdrängungswettbewerb unter den vier führenden deutschen Unternehmen des Kokereianlagenbaus, zu denen Dr. C. Otto gehörte. Das Auslandsgeschäft hatte ab den 1960er-Jahren durch die heimische Kohlekrise an Bedeutung gewonnen, sodass das Einsetzen der internationalen Stahlkrise einen schweren Schlag für den Anlagenbau darstellte. Drastisch formulierte Middelmann dies in seinen Unterlagen für die Aufsichtsratssitzung (montan.dok/BBA 299/2) am 10. Juni 1983: „Der internationale Markt ist, von Posco einmal abgesehen, tot.“
Befand sich die deutsche Stahlindustrie in der Krise, nahm die koreanische erst an Fahrt auf. Bis Ende der 1960er-Jahre hatte Südkorea noch keine nennenswerte Stahlproduktion. Mit den Plänen von Präsident und Militärdiktator Park Chung Hee zur Entwicklung der Schwer- und der chemischen Industrie, in welchen Stahl eine bedeutende Rolle zukam, änderte sich dies. Die Stahlherstellung sollte die südkoreanische Industrialisierung antreiben und auf diese Weise das Land aus der Armut führen. Zugleich sollte sie den Grundstein für eine eigene Rüstungsindustrie legen. Diese Zielsetzung war eng an Parks autoritäre Herrschaft geknüpft, nicht zuletzt um diese zu legitimieren. Seine präsidiale Vision führte 1968 zur Gründung des staatlichen Unternehmens durch seinen engen Vertrauten aus der Militärzeit, Park Tae Joon. Dieser wurde zugleich zum ersten Vorsitzenden bestimmt. Die Finanzierung sicherten ein Jahr später japanische Reparationsleistungen für die Kolonialzeit. Bis zu seinem Tod 1979 schützte und förderte Präsident Park das Unternehmen, das innerhalb weniger Jahrzehnte zu einem der weltweit führenden Stahlproduzenten aufstieg.
Die Anfänge von POSCO begleitete Dr. C. Otto – zu dieser Zeit in finanzieller Hinsicht auf einem Höhenflug – seit Beginn der Errichtung des ersten Stahlwerks in Pohang. Bereits 1979 zählten die Aufträge aus Südkorea laut Middelmann zu den „bedeutendsten Aufträge[n] unseres Unternehmens der letzten fünf Jahre“ (montan.dok/BBA 299/5). POSCO war mit den gelieferten Anlagen für das erste Werk so zufrieden, dass Dr. C. Otto sich eine Ausnahmestellung gegenüber den anderen führenden Unternehmen erarbeiten konnte. In der Stahlkrise, die die deutsche Firma vor allem ab 1982 durch ausbleibende neue Aufträge traf, bildete der Anlagenbau in Südkorea eine Möglichkeit, die schlechte Marktlage zu kompensieren. Die Auftragseingänge für Koksöfen in den Geschäftsjahren von 1980 bis 1983 zeigen, dass POSCO in dieser Zeit der größte Auftraggeber für Dr. C. Otto war.
In dieser von Rationalisierung, Auslagerung von Ingenieurleistungen in das Ausland (insbes. Otto India) und Verkaufsgesprächen geprägten Zeit blieb POSCO der wichtigste Auftraggeber „der letzten 12 Jahre“ (montan.dok/BBA 299/9) bzw. schlicht der beste Kunde (vgl. montan.dok/BBA 299/2). Die Bedeutung der POSCO-Aufträge für Dr. C. Otto zeigte sich auch daran, dass erst der Geschäftsführer der Salzgitter AG, Ernst Pieper, 1984 und dann der neue Eigentümer Dr. Carl Still 1985 gemeinsam mit Middelmann zum Besuch nach Korea reisten. Die zu dieser Zeit durch einen spekulativen SPIEGEL-Artikel an die Öffentlichkeit gelangten Verkaufsverhandlungen sorgten zwar für Nachfragen bei POSCO und lösten Sorgen bei Middelmann bezüglich der Verhandlungen zu Kwangyang aus, Dr. C. Otto galt aber dennoch als bevorzugter Kandidat. Auch in der Schätzung über den Verkaufswert des Anlagenbauers spielte POSCO insofern eine Rolle, als der Letter of Intent für Anlagen des zweiten Stahlwerks in Kwangyang Erwähnung fand. Ironischerweise sollte gerade der in Kwangyang hergestellte Stahl zu günstigen Preisen exportiert werden, was die Zukunft für Anlagenbauer wie Dr. C. Otto noch weiter verschärft haben dürfte.
Die Ehrengabe steht auf diese Weise sinnbildlich für den Aufstieg von POSCO zu einem führenden Stahlhersteller und gleichzeitig für den Abstieg der in den 1980er-Jahren mehr als 100 Jahre alten Kokereianlagen-Baufirma. Darauf, dass auch POSCO sich erst in den Anfängen sah, deutet die Ankündigung im koreanischen Text auf einer der zwei Metallplaketten der Ehrengabe hin, Middelmanns Unterstützung durch „größere Anstrengungen und mehr Wachstum“ [더 努力하고 끝없이 成長하여] (montan.dok 030007969001) rückzahlen zu wollen. Sowohl der koreanische als auch der englische Text der Ehrengabe betonen zudem das Erwachsenwerden [成年이] bzw. das Hineinwachsen in die Eisen- und Stahlindustrie von POSCO in der Zeit von Middelmanns Unterstützung. Sie verweisen damit auf seine bedeutende Rolle in der Anfangszeit des Unternehmens. Die Metallplaketten mit den Texten befinden sich auf einem Holzsockel, auf den ein Metallaufsatz aufgeschraubt ist. Letzterer erinnert entfernt an eine grausilberne Blüte, die sich um einen goldfarbenen Zylinder öffnet. Dieser hat mit seinen 19 Rillen entfernte Ähnlichkeit mit den Schornsteinen der Kokereianlagen, die Dr. C. Otto ab 1983 für POSCO in Kwangyang baute.
Die Geschäftsbeziehung, die auf dem besonderen Engagement Middelmanns beruhte, wurde 1988 mit der Ehrengabe festgehalten. Sie ging mit dem Nachlass Friedrich Wilhelm Middelmanns am 25. Januar 2012 in die Überlieferungen des montan.dok ein und kann dort ebenso wie die weiteren Geschäftsunterlagen und Fotografien eingesehen werden.
01. März 2025 (Rebecca Schröder, M. A.)
- Literatur
Montanhistorisches Dokumentationszentrum (montan.dok) des Deutschen Bergbau-Museums Bochum/Bergbau-Archiv Bochum (BBA) 299/2-10, 14-16.
Montanhistorisches Dokumentationszentrum (montan.dok) des Deutschen Bergbau-Museums Bochum 030007969001.
Aktenübernahmen. BBA 299: Geschäftsführer Friedrich Wilhelm Middelmann, Bochum, in: Jahresbericht 2012. Montanhistorisches Dokumentationszentrum / Bergbau-Archiv Bochum, 2013, S. 29-30. Unter: https://www.bergbaumuseum.de/fileadmin/files/zoo/uploads/jahresberichte/DBM-Jahresbericht_montandok_2012.pdf (Eingesehen: 25.01.2025).
Farrenkopf, Michael (Hrsg.): Koks – Die Geschichte eines Wertstoffes, Bd. 2: Chronik zur Entwicklung des Kokereiwesens, Bochum 2003 (= Veröffentlichungen aus dem Deutschen Bergbau-Museum Bochum, Nr. 117; = Schriften des Bergbau-Archivs, Nr. 12).
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