Skip to main content

Der Anbauhobel von Westfalia Lünen: eine technische Innovation im Steinkohlenbergbau der 1950er

Technische Innovationen sollen das Leben erleichtern. Der Anbauhobel von Westfalia Lünen war so eine Innovation, die im Steinkohlenbergbau mit ihren vielseitigen Anwendungsbereichen überzeugte. Sie kam aber nicht aus blauem Himmel: schon sein als „Löbbehobel“ bezeichneter Vorläufer hatte im Bergbau viele Anhänger gefunden.

Im Rahmen des Projekts montan.dok 21 wird neben anderen Verzeichnungsprojekten auch ein umfangreicher Bestand mit Firmenprospekten zur Bergtechnik bearbeitet. Als ein erstes Beispiel für die in der Sammlung vorhandenen Schriften soll hier ein Prospekt der Gewerkschaft Eisenhütte Westfalia Lünen mit einer großformatigen Abbildung des 1953 eingeführten Anbauhobels „System Löbbe“ vorgestellt werden. Der Anbauhobel wird an einen vorhandenen Kettenkratzförderer für die im Bergwerk abgebaute Kohle montiert. Antriebsmotoren ziehen den Hobel mit Hilfe von Ketten an der Kohle entlang, und die als Meißel bezeichneten „Zähne“ des Hobels lösen sie heraus, was auch schälende Gewinnung genannt wird. Die als „Gewinnungsgerät für alle Strebverhältnisse“ beworbene Maschine hat den Vorzug, dass sie auch in Teilabschnitten des Abbauraums arbeiten kann. Dieses ist etwa bei geologischen Störungen, die als Unterbrechung des ursprünglichen Zusammenhanges der Gesteinsverbände in der Erdrinde auftauchen (rororo Techniklexikon Bergbau, Band 3, S. 534), vorteilhaft. Die verschiedenen Bestandteile des Anbauhobels werden bei dem im Prospekt abgebildeten Modell einzeln benannt und beinhalten neben Elektromotor und Hobelkörper auch die Rückzylinder, welche die gesamte Anlage in Richtung der Kohle drücken, wenn der Abbau voranschreitet. Neben dem Prospekt sind noch ein Einsatzbericht und eine Bedienungsanweisung für den Hobel in der Sammlung vorhanden.

 

Der Westfalia-Anbauhobel ist eine Weiterentwicklung des 1949 eingeführten und nach seinem Erfinder Wilhelm Löbbe benannten „Löbbehobels“. Ein Westfalia-Bericht benennt den entscheidenden Vorteil des Löbbehobels, der zu einem starken Anstieg im Einsatz dieser Technik geführt hat, als die Vereinigung der drei wichtigen Arbeitsgänge „Lösen, Laden und Fördern“ der Kohle. Ein Diagramm zur Entwicklung der schälenden Kohlengewinnung im Ruhrgebiet verzeichnet im Dezember 1952 bei einer Anzahl von insgesamt knapp 50 eingesetzten Maschinen einen Anteil von 45 Löbbehobeln. Erstmals wurde bei diesem Gerät der Antrieb von Fördermittel und Hobel vereint, sodass die Kraftübertragung der Motoren bei der hohen Belastung zum Anfahren der Förderanlage zuerst hierher übertragen wird und sich später mehr zu Gunsten des Hobels verlagert. Jedoch konnte es beim Einsatz des Löbbehobels zu Schwierigkeiten kommen, sobald geologische Störungen auftraten: Die durchgehende Zugkette des Hobels (Hobelkette) behinderte die Arbeit im Bereich der Störung und lief Gefahr, an die Stützelemente zum Offenhalten der Hohlräume unter Tage zu stoßen. Diesem Problem half man bei der Entwicklung des Anbauhobels ab, dessen Arbeitsbereich von der Förderanlage unabhängig ist und den geologischen Verhältnissen angepasst werden kann.

 

16. November 2017 (Jens Brokfeld, M.A.)

 


Literatur

Montanhistorisches Dokumentationszentrum (montan.dok) beim Deutschen Bergbau-Museum Bochum/Bergbau-Archiv (BBA) FP 1240/9

 

Anderheggen, Erwin: Der „Westfalia-Schnellhobel“, in: Glückauf 86, 1950, S. 749-759.

 

Brandi, Karl: Neue Wege der schälenden Kohlengewinnung, in: Glückauf 89, 1953, S. 345-355.

 

Grothe, Hans (Hrsg.): Bergbau, Hamburg 1972 (=rororo Techniklexikon Bergbau).

 

Gewerkschaft Eisenhütte Westfalia (Hrsg.): Westfalia Lünen. Maschinen der Westfalia Lünen, Lünen 1976.

 

Gewerkschaft Eisenhütte Westfalia (Hrsg.): 150 Jahre Westfalia Lünen. Gewerkschaft Eisenhütte Westfalia (1826 - 1976), Lünen 1976.