Skip to main content

Meteorit und Mondgestein

Noch heute fasziniert die Menschen die erste Mondlandung am 20. Juli 1969. Die Geschichten um die weithin bekannten und gerade auch um die bisher im Verborgenen gebliebenen Figuren, die diese außergewöhnliche Leistung ermöglichten, werden gerne erzählt. Die Mitarbeitenden im damaligen Bergbau-Museum Bochum zeigten ebenfalls großes Interesse an diesem Ereignis, ganz aus einer „bergmännischen“ Perspektive heraus.

Bergassessor a. D. Hans Günter Conrad, der damalige Museumsdirektor, schrieb am 13. August 1969 an O. Bill Llyod, den Director of Public Information der NASA, um ihm seine Sicht auf die Mondlandung zu erläutern (vgl. auch im Folgenden montan.dok/BBA 112/930). Im deutschen Entwurf des Schreibens formuliert Conrad: „Die Aktionen des Aufsammelns von Mondgestein zur geologischen Erforschung der Mondsubstanz können im Prinzip als eine elementare Form der bergmännischen Tätigkeit gelten: als Prospektionen, die von alters her bis zu den sich auf modernste Hilfsmittel stützenden Aufschlußversuchen von heute am Anfang jeglicher Bodenbearbeitung stehen.“

 

Conrad hoffte nun, für die Ausstellung im Bergbau-Museum Bochum von dieser Erkundung von Lagerstätten auf dem Mond Bilder zu bekommen. Besonders interessierten ihn „detaillierte Aufnahmen der zur Aufgreifung [sic!] des Gesteins verwendeten Instrumente“.

 

Bei der NASA schenkte man dem Brief und den hier geäußerten Gedanken zum Bergbau im Weltall offenkundig wenig Beachtung. Nur eine standardisierte Antwort ging am 05. November 1969 in Bochum ein. Die NASA würde die angefragten Unterlagen lediglich an akkreditierte Pressevertreter ausgeben. Es sei aber möglich, Bilder, Dias und Folien käuflich von der Firma Still Photo Productions in Washington D. C., die von der NASA für solche Reproduktionen beauftragt war, zu erwerben. Offenkundig beließ man es im Museum bei dieser Nachricht.

 

Wenn es 1969 dem Bergbau-Museum Bochum auch nicht gelang, den Mond für sich zu erobern, so musste man doch nicht ganz auf das Weltall verzichten. Ein ca. 400 Kilogramm schwerer vor Tausenden von Jahren auf die Erde gefallener Eisenmeteorit (Oktaedrit) zählte schon seit 1936 zu der Sammlung des Museums (montan.dok 060002965001).

 

Der Meteorit stammte aus der Sammlung der Technischen Hochschule Berlin (vgl. auch im Folgenden montan.dok/BBA 112/1778). Im Zusammenhang mit der Übernahme von zahlreichen Modellen aus Berlin für das Bergbau-Museum Bochum hatte Dr.-Ing. Heinrich Winkelmann, der seinerzeitige Museumsdirektor, mit Prof. Dr. Rudolf Beyschlag, Lehrstuhl für Bergbau-, Aufbereitungs- und Brikettierkunde an der Fakultät für Bergbau- und Hüttentechnik, auch über die Überlassung eines Meteoriten gesprochen. Beyschlag konnte den Dekan der Fakultät überzeugen, dem Bochumer Museum einen der beiden in Berlin befindlichen Meteoriten für eine entsprechende Gegenleistung zu überlassen. Genaueres über diese Leistung ist nicht mehr aus der Akte zu erfahren. Auch die Karteikarte zu dem Objekt führt unter „Art d. Erwerbs“ „Schenkung“ auf; von irgendeiner Gegenleistung ist keine Rede.

 

Auf der Karteikarte wird als „Fundort“ „Südafrika etwa 1910“ angegeben. Tatsächlich stammt der Meteorit aus der damaligen deutschen Kolonie Deutsch-Südwestafrika, dem heutigen Namibia. Er dürfte einer der Meteoriten sein, die von Dr. Robert Scheibe, dem damaligen Professor für Mineralogie an der Königlichen Bergakademie zu Berlin, 1909 von der Farm Amalia in der Nähe von Gibeon zusammen mit anderen Stücken nach Berlin gebracht wurde. Neben den von Scheibe gesammelten Exemplaren gibt es noch zahlreiche weitere größere und kleinere Blöcke und Bruchstücke, die alle von einem schon weit vor dem Aufprall zerplatzten sehr großen Brocken stammen. Einige der von Scheibe mitgebrachten Stücke wurden in der Folgezeit weitergegeben und teilweise Platten davon abgeschnitten. Geschliffen und mit Säure geätzt zeigen diese Scheiben die so genannten Widmannstätten’schen Figuren, Linien, die wie ineinander geschachtelte Dreiecke aussehen. Für diese Struktur sind unterschiedliche Nickel-Eisen-Legierungen, hier Kamacit und Taenit, verantwortlich. Von dem heutigen Meteoriten des Museums wurde im Juni 1952 ebenfalls ein Stück abgeschnitten und präpariert.

 

Was Winkelmann damals bewegte, den Meteoriten für sein Museum zu erwerben, geht leider nicht aus dem Schriftwechsel mit Beyschlag hervor. Bekannt ist, dass Eisenmeteoriten als Ausgangsmaterial für die Herstellung von Gegenständen benutzt worden sind, wie beispielsweise eine Perle und ein Dolch aus dem 4. Jahrtausend v. Chr. aus Ägypten belegen. In der Reihe „museum“ erschien 1978 eine Darstellung über das Deutsche Bergbau-Museum Bochum. Hier wird der Meteorit in dem vom Museumsmitarbeiter Andreas Hauptmann verfassten Kapitel „Lagerstätten und Rohstoffe“ als „interessante Variante zum Thema ‚Eisenerzlagerstätten‘“ aufgeführt. Dabei verweist Hauptmann auf die erwähnte Verwendung von meteorischem Eisen. Davor geht er auf zukünftige Rohstoffquellen ein: „‚Meteoriten – die Rohstoffquellen der Zukunft?‘ – das mag futuristisch klingen, doch steht zu bedenken, daß Meteoriten, die im Weltall in großen Schwärmen auftreten können, bis mehr als 90 Prozent Eisen und wertvolle Edelmetalle wie Chrom und Nickel enthalten.“

 

Auch heute noch ist das Zukunftsmusik, aber die Absicht der Rohstoffgewinnung im Weltall ist nicht verschwunden. Als Stichwort sei hier nur auf den Asteroidenbergbau hingewiesen. So schließt sich der Kreis von den Gedanken Conrads zur Prospektion auf dem Mond wieder.

 

Das Bemühen um Objekte bzw. Material für den Bergbau im Weltall, wenn man so will, lässt sich in den Verwaltungsakten des Deutschen Bergbau-Museums Bochum, die im Rahmen des Projektes „montan.dok 21“ archivisch aufbereitet wurden, genauer nachvollziehen. Dass dabei auch kritische Aspekte bezüglich der Objektgeschichte, wie der Herkunft des während der Kolonialzeit aus Namibia nach Deutschland gebrachten Meteoriten, auftauchen, soll hier nicht verschwiegen werden.

 

02. Juni 2020 (Dr. Maria Schäpers)

 


Literatur

Montanhistorisches Dokumentationszentrum (montan.dok) beim Deutschen Bergbau-Museum Bochum 060002965001

 

Montanhistorisches Dokumentationszentrum (montan.dok) beim Deutschen Bergbau-Museum Bochum/Bergbau-Archiv Bochum (BBA) 112/930, 112/1778

 

Conrad, Hans Günter u.a.: Deutsches Bergbau-Museum Bochum, Braunschweig 1978 (= museum, ohne Nr.).

 

Gesellschaft zur Förderung des Naturkundemuseums in Stuttgart e.V. (Hrsg.): Meteorite und Meteorkrater, 3., überarb. Aufl., Stuttgart 1992 (= Stuttgarter Beiträge zur Naturkunde. Serie C, Nr. 6).

 

Reucher, Gaby: Besuch der neuen Dauerausstellung des Bergbau-Museums in Bochum, in: https://www.dw.com/de/besuch-der-neuen-dauerausstellung-des-bergbau-museums-in-bochum/a-47319933 (Stand: 28.05.2020).

 

Scheibe, Ernst Albrecht: Zwei verschiedene Eisenmeteoriten aus Südwestafrika – Namibia, in: Der Aufschluss. Zeitschrift für Freunde der Mineralogie und Geologie 41, 1990, Heft 5, S. 287-289.

 

Yalçin, Ünsal: Zum Eisen der Hethiter, in: ders./Pulak, Cemal/Slotta, Rainer (Hrsg.): Das Schiff von Uluburun. Welthandel vor 3000 Jahren. Katalog der Ausstellung des Deutschen Bergbau-Museums Bochum vom 15. Juli 2005 bis 16. Juli 2006, Bochum 2005 (= Veröffentlichungen aus dem Deutschen Bergbau-Museum Bochum, Nr. 138).