Fund des Monats: „Wir haben Interesse für Briefmarken mit bergmännischen Zeichen“: Suche nach Objekten für die Abteilung „Der Bergbau im Post- und Finanzwesen“
Es blieb nicht bei dem einen Ankauf. Herbert Bodenschatz, der Verkäufer, bot noch weitere Scheine mit Bergbaumotiven an. Er fragte dabei nach dem genauen Interesse des Bergbau-Museums. Julius Raub, der Kustos, antwortete ihm, dass sie in Bochum keinesfalls eine geschlossene Münzen- bzw. Geldscheinsammlung aufstellen wollten. Es ginge vielmehr darum, die Münzen bzw. Scheine, die von Bergwerken herausgegeben worden seien bzw. die sich irgendwie mit Bergwerken beschäftigen, in einer Sonderabteilung der Sammlung zu besitzen.
Tatsächlich wurde nachweislich seit 1937 für diese Sonderabteilung mit dem Titel „Der Bergbau im Post- und Finanzwesen“ gesammelt. Diese Sammlungsabteilung besteht bis heute, sie ist aber mittlerweile dem Bergbau-Archiv Bochum als archivische Spezialsammlung unter dem Titel „N: Notgeld und Marken“ eingegliedert worden. Viele der hier aufbewahrten Geldscheine gehen auf den Sammler Herbert Bodenschatz zurück, der auch noch nach dem Zweiten Weltkrieg mit dem Bergbau-Museum in Kontakt stand (vgl. montan.dok/BBA 112/767, 112/770, 112/780 und 112/781).
Sein Name dürfte bis heute bei Papiergeldsammlern ein Begriff sein. Der 1903 geborene Sohn eines Zollbeamten erlebte die Zeit des Notgeldes in Hamburg selbst mit. Schon im ersten Kriegsjahr wurde Notgeld aufgrund des herrschenden Kleingeldmangels ausgegeben. Zunächst stabilisierte sich die Lage, aber ab 1916 kam es erneut zu Engpässen und neues Notgeld wurde in Umlauf gebracht. Wegen des großen Interesses von Sammlern an diesem Geld wurden auch Geldscheine hergestellt, die nur für den Verkauf an diese bestimmt waren. Ab 1922 kam es durch die Inflation zur Ausgabe von weiterem Notgeld, das entsprechend der einzelnen Phasen der Inflation im Nennwert immer weiter bis hin zu Billionenbeträgen stieg. Von Beginn an wurde das Notgeld sowohl von staatlich genehmigten als auch ohne solche Genehmigungen von öffentlichen und privaten Stellen herausgegeben, wobei zumeist Gemeinden und Industrieunternehmen hier tätig wurden.
Lagergeld, das ebenfalls zum Angebot von Hebert Bodenschatz gehörte, wurde an die Gefangenen als Sold, Rationierungsmittel oder „Entgelt“ für Zwangsarbeit ausgegeben. So wurde verhindert, dass die Internierten Reichsgeld besaßen. Da das Geld nur im jeweiligen Lager selbst Gültigkeit besaß, konnte es bei einer eventuellen Flucht nicht außerhalb als Zahlungsmittel eingesetzt werden.
Bodenschatz interessierte sich schon als Schüler für diese wichtigen Zeugen der Inflation und des Ersten Weltkrieges. Er sammelte bald selbst diese Scheine und handelte mit ihnen. Eine entsprechende von ihm herausgegebene Zeitschrift „Notgeld“ kam allerdings nicht über den dritten Band hinaus. Zudem betrieb Bodenschatz eine Buchhandlung in Hamburg.
Wie genau das Museum 1941 auf den Händler, zu dessen Angebot offenkundig schon damals wie in späteren Jahren auch Briefmarken gehörten, aufmerksam wurde, ist leider nicht überliefert. Erst im Jahr zuvor hatte Bodenschatz seinen Handel wiederaufnehmen können, nachdem er aus dem Lager Aschendorfermoor entlassen worden war. Hier war er seit 1935 interniert gewesen, um eine Zuchthausstrafe zu verbüßen, zu der er wegen Hochverrats verurteilt worden war. Bodenschatz hatte sich im Widerstand gegen den Nationalsozialismus engagiert. Das Strafgefangenlager Aschendorfermoor, wohin er verbracht wurde, war eines von vier neuen Emslandlagern, die zwischen April 1934 und Mai 1935 angelegt worden waren. Sie dienten zunächst vor allem dazu, die regulären Haftanstalten zu entlasten. Der hier geübte verschärfte Strafvollzug bedeutete, dass dort inhaftierte Personen schwerste Zwangsarbeit zur Kultivierung des Moorgebietes leisten mussten.
Bodenschatz konnte seinen Handel nach seiner Entlassung weiterführen. Es gelang ihm sogar, 1944 eine Weiterführungsgenehmigung zu erlangen, als die Frage nach der Kriegswichtigkeit dieses Handels im Raum stand. Auch nach dem Zweiten Weltkrieg setzte der Sammler seinen Handel fort und unterbreitete dem Bergbau-Museum weiterhin seine Angebote.
Durch die Bearbeitung des Bestandes 112: Deutsches Bergbau-Museum Bochum, Bochum im Rahmen des Projekts „montan.dok 21“ wird ein besserer Einblick in die Museumsarbeit und die Genese der Sammlungen möglich. Das gilt auch für die heutige archivische Spezialsammlung N, zu der der Papiergeldsammler und Händler Bodenschatz einen nicht unwichtigen Beitrag geleistet hat.
05. November 2018 (Dr. Maria Schäpers)
- Literatur
Montanhistorisches Dokumentationszentrum (montan.dok) beim Deutschen Bergbau-Museum Bochum/Bergbau-Archiv Bochum (BBA) N 99, N 1963, 112/755, 112/767, 112/770, 112/780, 112/781
Faulenbach, Bernd: Die Emslandlager in der deutschen und der europäischen Geschichte, in: ders./Kaltofen, Andrea (Hrsg.): Hölle im Moor. Die Emslager 1933-1945, Göttingen 2017, S. 17-24.
Friedrich-Naumann-Stiftung (Hrsg.): Widerstand, Verfolgung und Emigration Liberaler 1933-1945, Bonn 1983.
Grabowski, Hans-Ludwig: Deutsches Notgeld, Bd. 5: Deutsche Kleingeldscheine: amtliche Verkehrsausgaben 1916-1922 (Aachen – Lingen), Regenstauf 2004.
Linke, Walter: Herbert Bodenschatz – Sammler und Papiergeldhändler, in: Münzen & Papiergeld. Zeitschrift für Münzen, Medaillen & Papiergeld 11, 2002, S. 143 f. Menzel, Peter: Deutsche Notmünzen und sonstige Geldersatzmarken 1873 bis 1932, Berlin 1982.
Schultz, Bruno: Kleine deutsche Geldgeschichte des 19. und 20. Jahrhunderts, Berlin 1976 (= Untersuchungen über das Spar-, Giro- und Kreditwesen. Abteilung A: Wirtschaftswissenschaft, Bd. 82).
Walter, Bernd: Die Strafgefangenenlager im Emsland 1934-1945. Strafverfolgung und Strafvollzug im Dienste der »Volksgemeinschaft«, in: Faulenbach, Bernd/Kaltofen, Andrea (Hrsg.): Hölle im Moor. Die Emslager 1933-1945, Göttingen 2017, S. 115-130.