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Fund des Monats: Lasst die Gläser klingen! Biergläser und Schnapspinnchen der SDAG Wismut und der Wismut GmbH

In den Musealen Sammlungen des Deutschen Bergbau-Museums Bochum (DBM) befindet sich eine Vielzahl von Glasobjekten, die durch Herstellungsanlass, Verwendungszweck und/oder Motivgebung einen Bezug zum Bergbau aufweisen. Seit Ende 2018 gehören dazu auch acht Biergläser und drei Schnapsgläschen, die mit der SDAG Wismut (Sowjetisch-Deutsche Aktiengesellschaft Wismut) bzw. ihres Nachfolgeunternehmens, der Wismut GmbH, in Verbindung stehen.

Die den Musealen Sammlungen des DBM geschenkten Biergläser wurden für einzelne Bereiche der SDAG Wismut hergestellt. Die Gläser sind in den gängigen Formen der so genannten „Biertulpe“ und des so genannten „Willibechers“ sowie in zylindrischer Form ausgeführt. Es wurde jeweils Pressglas verwendet, das mit schlichten Motiven verziert ist. Im Vergleich zu den oft kostbaren Glaserzeugnissen vorheriger Jahrhunderte mit Bergbaubezug haben die Gläser aus handwerklicher und künstlerischer Perspektive nur wenig für den Betrachtenden zu bieten. Dafür sind sie Zeugnisse der Geschichte und Erinnerungskultur im Zusammenhang mit der SDAG Wismut, die mit ihren verschiedenen Bergbau- und Aufbereitungsbetrieben in Sachsen und Thüringen bis 1990 der weltweit viertgrößte Uranproduzent war.

 

Im Einzelnen handelt es sich um eine Biertulpe der Sportgemeinschaft Wismut Gera (montan.dok 037000259001), eine Biertulpe des Bau- und Montagebetriebes der Wismut mit Hinweis auf die 35-jährige deutsch-sowjetische Freundschaft (montan.dok 037000260001), eine Biertulpe des Bergbaubetriebes Drosen (montan.dok 037000261001), einen Willibecher der Betriebssportgemeinschaft Wismut Crossen zur Feier des 35-jährigen Bestehens (montan.dok 037000262001), zwei Willibecher des Kampfgruppenzuges „Albert Funk“ des Bau- und Montagebetriebes der Wismut zum 25-jährigen Bestehen der Kampfgruppen der Arbeiterklasse (montan.dok 037000266001 und 037000268001), ein zylindrisches Bierglas des Aufbereitungsbetriebes Seelingstädt (montan.dok 037000267001) und ein zylindrisches Bierglas der Zivilverteidigung Seelingstädt (montan.dok 037000269001).

 

Die 1953 gegründete SDAG Wismut konzentrierte im Laufe der Zeit die Gewinnung von Uran auf sieben Bergbau- und zwei Aufbereitungsbetriebe, in denen das geförderte Uran zum Endprodukt Yellow Cake, dem Ausgangsstoff für Brennelemente, aufbereitet wurde. Diese Struktur spiegelt sich in gewisser Weise in der kleinen Glassammlung wider. So ist einer der sieben Bergbaubetriebe (BB) mit dem Bierglas des BB Drosen und einer der beiden Aufbereitungsbetriebe (AB) mit dem Glas des AB Seelingstädt vertreten. Neben den eigentlichen Bergbau- und Aufbereitungsbetrieben der Wismut finden sich zudem die für die DDR typischen Betriebssportgemeinschaften, die durch die jeweiligen Trägerbetriebe finanziert wurden, und die Kampfgruppen der Arbeiterklasse, paramilitärische Verbände, in denen Zivilpersonen staatlicher Betriebe für Schutz- und Kampfeinsätze geschult wurden, unter den Gläsern. Schließlich ist noch die Zivilverteidigung, die dem Schutz der Bevölkerung und wichtiger Einrichtungen vor den Folgen von militärischen Auseinandersetzungen und Massenvernichtungswaffen diente, mit ihrer Vertretung in Seelingstädt in Glas verewigt.

 

Auf vier der Gläser wird ein konkreter Bezug auf ein bestimmtes Jubiläum genommen. Das Feiern von und das Erinnern an Jubiläen, wie Staats-, Stadt-, Betriebs- und Kombinatsjubiläen, war üblich in der DDR. Zum Gedenken dienten dabei auch immer wieder Objekte wie Medaillen, Schmuckteller, Anstecknadeln und Gläser. Die Treffer zur Stichwortrecherche „Jubiläum“ in der Onlinedatenbank des DDR Museums in Berlin veranschaulicht dies gut. In den Musealen Sammlungen des DBM finden sich weitere Beispiele von solchen Jubiläumsgaben, darunter Medaillen, Teller und Gläser (vgl. beispielsweise montan.dok 030002210001, 030006064001, 03000265800). Form und Gestaltung der Biergläser aus dem DDR Museum und dem DBM ähneln den Biergläsern der Wismut.

 

Ohne einen konkreten Anlass, seien es Betriebs- oder Organisationsjubiläen, persönliche Jubiläen und Auszeichnungen oder ein bestimmtes (geschichtliches) Ereignis, wie beispielsweise die Gründung der DDR, der 1. Mai (Kampftag der Arbeiterklasse) oder der 8. Mai (Tag der Befreiung), wurden solche Gläser nicht produziert. Aufwendige Genehmigungsverfahren und Planwirtschaft ließen keinen Spielraum für spontane Bestellungen. Nicht immer ist ein solcher Anlass aus den Darstellungen bzw. den Aufschriften der Gläser erkennbar. Bei den Gläsern der Sportgemeinschaft Wismut Gera, des BB Drosen, des AB Seelingstädt und der Zivilverteidigung Seelingstädt ist dies der Fall. Auch der Blick auf andere Beispiele der Musealen Sammlungen des DBM lässt solche Bezüge vermissen (vgl. beispielsweise montan.dok 030002661002, 030006505001, 030006511001).

 

Das einfache Bildprogramm der Biergläser weist bei vier der acht Gläser einen klaren Bezug zum Bergbau auf, sei es mit Darstellungen von Fördergerüsten und anderen Übertageanlagen oder nur mit dem Bergbauemblem Schlägel und Eisen. Bei den anderen Gläsern fehlt ein solcher Bezug: Das Bierglas des AB Seelingstädt mit der Aufschrift „SDAG Wismut AB 102“ [Objektnummer des Aufbereitungsbetriebes, Anm. der Verfasserin] zeigt ein stilisiertes Atom mit den typischen drei Umlaufbahnen und eine fliegende Taube. Die beiden identischen Gläser des Kampfgruppenzuges zeigen das Symbol der Kampfgruppen der Arbeiterklasse, also einen in die Höhe gehaltenen Karabiner, an dem eine rote Fahne weht. Auch das Glas der Zivilverteidigung mit der Aufschrift „Zivilverteidigung Objektstab zu Seelingstädt“ trägt lediglich das Emblem der Zivilverteidigung mit Hammer und Zirkel in der Mitte und, soweit zu erkennen, in einem Kreis von Ähren und der Flagge der DDR.

 

Bei den beiden zuletzt genannten Gläser sind die Bilder in das Glas geätzt, was sie qualitativ von den anderen abhebt. Für die einfachen Arbeiter wurden zumeist die Pressgläser mit Glasfarben gewählt, die geätzten Gläser wurden an Personen der mittleren Ebene des Betriebes verteilt. Für die Ehrung von Angehörigen der Leitungsebene wurden sogar Kristallgläser angefertigt. Es war nicht unüblich, dass aus den Gläser getrunken wurde, wenn auch der gute Erhaltungszustand der hier vorgestellten Gläser keinen intensiven Gebrauch zu erkennen gibt.

 

Mit der deutschen Einheit endete die SDAG Wismut und die Uranproduktion. Das Nachfolgeunternehmen, die Wismut GmbH, ist seit seiner Gründung 1991 für die Sanierung und die wirtschaftliche Wiedernutzbarmachung der durch den Bergbau und die Aufbereitung des Uranerzes stark in Mitleidenschaft gezogenen Flächen verantwortlich. Auch an dieses Unternehmen erinnern seit Dezember 2018 drei Objekte in den Musealen Sammlungen des DBM, die im Montanhistorischen Dokumentationszentrum (montan.dok) betreut werden.

 

Es handelte sich wiederum um Gläser, genauer Schnapspinnchen (montan.dok 037000265002, 037000265003, 037000265004) die ein zusammengehöriges Set bilden. Alle Gläschen sind mit einem Zinnrelief versehen. Das erste trägt das Logo der Wismut GmbH. Auf dem zweiten Relief sind ineinander verschlungen ein Häckel, eine Barte, eine Froschlampe, eine Tasche sowie Schlägel und Eisen zu sehen. Das dritte zeigt zwei auf einen Häckel oder eine Barte gestützte Bergmänner in Paradeuniform mit Schachthut, die auf einem unebenen Grund stehen und ein Wappenschild zwischen sich halten. Auf dem Schild sind Ähren und darüber Schlägel und Eisen abgebildet.

 

Das Bildprogramm spielt damit auf alte sächsische Bergbautraditionen an, nichts erinnert an den Bergbau auf Uran. Dabei handelt es sich einerseits um eine klare Abgrenzung zu diesem für Mensch und Umwelt teilweise sehr verheerenden Bergbau, dessen Spätfolgen das Unternehmen zu bewältigen hat. Andererseits wird mit der Herstellung dieser Gläschen in gewisser Weise eine Tradition der Ehrung fortgesetzt. So wurden diese Gläser in Anerkennung für die Leistungen des unfallfreien Arbeitens im Rahmen des Arbeitssicherheitsprogrammes vergeben.

 

Sie kamen noch in der Originalverpackung nach Bochum, wo im Übrigen sogar der passende akzisefreie Trinkbrandwein vorhanden ist (vgl. beispielsweise montan.dok 037000272001), aber das ist eine andere Geschichte!

 

Mit dem Neuzugang im montan.dok hält man gleichsam eine kleine gläserne Geschichte der SDAG Wismut und ihres Nachfolgeunternehmens in den Händen. Hier konnte im Rahmen des Projektes „montan.dok 21“ nur kurz auf diese eingegangen werden. Um die Fragen, die sich um die Uranerzeugung und vor allem die Bewältigung der Folgen dieses Bergbaus stellen, bemüht sich seit April 2019 das Forschungsprojekt „Umpobere“, an dem das montan.dok beteiligt ist.

 

03. Juni 2019 (Dr. Maria Schäpers)

 


Literatur

Montanhistorisches Dokumentationszentrum (montan.dok) beim Deutschen Bergbau-Museum Bochum 03000265800, 030002210001, 030002661002, 030006064001, 030006505001, 030006511001, 037000259001, 037000260001, 037000261001, 037000262001, 037000265002, 037000265003, 037000265004, 037000266001, 037000267001, 037000268001, 037000269001

 

DDR Museum in Berlin, Suche in der Online-Datenbank zum Stichwort „Jubiläum“: https://www.ddr-museum.de/de/objects/filter/fulltext?query=Jubil%C3%A4um (Stand 23.05.2019).

 

Farrenkopf, Michael/Ganzelewski, Michael: Uranbergbau der Wismut. Übernahmeaktivitäten des montan.dok, in: montan.dok-news 5, 2019, Heft 1, S. 5, online abrufbar unter: https://www.bergbaumuseum.de/fileadmin/files/zoo/uploads/newsletter-montan.dok/2019-1-newsletter_montan.dok.pdf (Stand 23.05.2019).

 

Homepage der Wismut GmbH mit Angaben zum Unternehmen und seiner Geschichte: https://www.wismut.de/de/ (Stand 23.05.2019).

 

Schütterle, Juliane: Kumpel, Kader und Genossen. Arbeiten und Leben im Uranbergbau der DDR. Die Wismut AG, Paderborn 2010.

 

Slotta, Rainer/Just, Christine/Just, Rüdiger/Rohr, Alheidis von: Bergwerke auf Glas. Kostbarkeiten (nicht nur) für Kaiser und Edelleute. Katalog zur Ausstellung im Deutschen Bergbau-Museum Bochum vom 09. November 2003 bis zum 08. August 2004, Bochum 2003 (= Veröffentlichungen aus dem Deutschen Bergbau-Museum Bochum, Nr. 120).

 

Wismut GmbH, Öffentlichkeitsarbeit (Hrsg.): Wismut Objekt 90. Ausstellung zur Geschichte der Wismut, Chemnitz 2008.