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Buntes Blechspielzeug in der Sonderausstellung „Doppelbock auf Museum“

Im Dezember 2023 präsentierten wir bereits unter dem Titel „Buntes Blech für kleine und große Bergleute“ eine Förderbahn des Steinkohlenbergbaus der Firma Gebr. Einfalt aus Nürnberg (montan.dok 030006248001). Während diese noch in einem Originalkarton überliefert ist, aus dem zahlreiche Hinweise ableitbar sind, so fehlt dem Objekt des Monats April 2024 diese Verpackung. Und doch, jenseits der grundsätzlich möglichen beschreibenden Wiedergabe des Objekts, wissen wir durch die bei der Übernahme erfassten Informationen einiges über das besagte Blechspielzeug.

Das als „Kohlegrube“ bezeichnete Blechspielzeug (montan.dok 030006249001) ist vielfarbig bemalt, es weist eine Höhe von 14,5, eine Länge von 34,5 und eine Breite von 6 Zentimetern auf. Angetrieben von einem Uhrwerk fährt ein Förderwagen zwischen Fördergerüst und gegenüberliegenden Maschinenhaus hin und her. Unter dem fahrenden Förderwagen zeigt das Modell die körperlich schwere Arbeit im Steinkohlenbergbau. Die „Kumpels“ sind durch stilisierte Körper abgebildet, und es kann der Eindruck entstehen, dass ihnen die Arbeit gar nicht so schwerfällt.

Video file

Die Arnold Kohlegrube, 1930-1950, im Fahrbetrieb (montan.dok 030006249001), DBM/montan.dok, Michael Ganzelewski

 

Das aus Weißblech hergestellte Kinderspielzeug wurde zwischen 1930 und 1950 von der in Nürnberg ansässigen Firma Metallspielwarenfabrik K. Arnold GmbH & Co. gefertigt. Gegründet im Jahre 1906, spezialisierte sich das Unternehmen zunächst auf die Produktion von Blechspielzeugen, wobei Schwerpunkte auf Schiffen, Autos, Motorrädern und Flugzeugen lagen, doch auch Panzer finden sich in der Angebotspalette. In den 1960er-Jahren zählte auch das Modell der Orion VIII dazu. Damit zog die erste deutsche Science-Fiction Serie „Raumpatrouille – Die phantastischen Abenteuer des Raumschiffes Orion“, die 1966 erstmals ausgestrahlt wurde, vom Fernseher in das Kinderzimmer um. Doch während es sich bei der Serie, die heute noch Kultstatus besitzt, um einen Straßenfeger handelte, waren die Tage der Blechspielzeugproduktion der Firma Arnold gezählt.

 

Seit Ende des Zweiten Weltkrieges entwickelten sich die Verkaufszahlen rückläufig, und die Firma begann Ende der 1950er-Jahre mit der Entwicklung eines neuen Modelleisenbahnsystems, das 1960 der Öffentlichkeit auf der Nürnberger Spielwarenmesse präsentiert wurde. Zunächst im Maßstab 1:200 produziert, änderte sich der Maßstab seit 1962 auf 1:160, die Spurweite N war geboren. In den folgenden Jahren traten die Firmen Trix, mit ihrer Produktlinie Minitrix, und Fleischmann, mit Fleischmann piccolo, ebenfalls in diesen neuen Modelleisenbahnmarkt ein. Wenngleich Arnold mit zahlreichen Innovationen in diesem Marktsegment vertreten war, führte vor allem die Maxime der kostensparenden Produktion zu Nachteilen gegenüber den Konkurrenten. 1995 musste schließlich Insolvenz angemeldet werden, die Firma wurde zwei Jahre später von Rivarossi, einem italienischen Eisenbahnmodellhersteller, erworben, nach dessen Insolvenz 2003 ging Arnold 2004 an die englische Firma Hornby Railways über. Nachdem jahrelang keine nicht-gebrauchten Arnold Modelle erworben werden konnten, ist dies seit 2006 wieder möglich.

 

Das in der Sonderausstellung „Doppelbock auf Museum“ präsentierte Spielzeug „Kohlegrube“ steht zunächst für die Geschichte der Firma Arnold, für jene Jahrzehnte, in denen sie mit Blechspielzeugmodellen erfolgreich am Markt operierte. Es steht ferner für Nürnberg als Zentrum der deutschen Spielwarenindustrie, waren doch in der Stadt auch Arnolds Konkurrenten, die Firmen Fleischmann und Trix, ansässig. Zuvorderst jedoch zeigt es, welche Faszination vom Steinkohlenbergbau auch für Kinder ausging. Mochten Fördergerüste allgegenwärtig oder abwesend sein, symbolisch konnten sie in das Kinderzimmer geholt werden, wo sie auch die Basis des industriellen Erfolgs Deutschlands, Kohle und Stahl, verkörperten. Das Deutsche Reich war ein industrieller Spätstarter gewesen, hatte allerdings bereits kurz nach der Wende zum 20. Jahrhundert das Mutterland der Industrie, Großbritannien, überholt, da damalige Zukunftstechnologien forciert ausgebaut worden waren. Zugleich schlug des industrielle Herz Deutschlands immer noch durch die Nutzung der heimischen Steinkohle.

 

Die „Kohlegrube“ war damit eine auf Kinderbedürfnisse angepasste künstlerische Vergegenwärtigung des industriellen Deutschland.

 

01. April 2024 (Dr. Torsten Meyer)

 


Literatur

Montanhistorisches Dokumentationszentrum (montan.dok) beim Deutschen Bergbau-Museum Bochum 030006249001.

 

Arnold Blechspielzeug. Unter: https://www.kleinanzeigen.de/s-arnold-blechspielzeug/k0 (Eingesehen: 22.03.2024).

 

Arnold Kataloge. Unter: https://www.wiswin.nl/Arnold%20Kataloge.htm (Eingesehen: 22.03.2024).

 

Arnold (Unternehmen). Unter: https://de.wikipedia.org/wiki/Arnold_(Unternehmen) (Eingesehen: 22.03.2024).

 

Ganzelewski, Michael: Buntes Blech für kleine und große Bergleute, 01. Dezember 2023. Unter: https://www.bergbau-sammlungen.de/de/aktuelles/buntes-blech-fuer-kleine-und-grosse-bergleute (Eingesehen: 22.03.2024).

 

Kühberger, Christoph (Hrsg.): Mit Geschichte spielen. Zur materiellen Kultur von Spielzeug und Spielen als Darstellung der Vergangenheit, Bielefeld 2021.

 

Krüger, Peter R.: Es lebe Raumpatrouille Orion, Osdorf 2021.

 

Raumpatrouille – Die phantastischen Abenteuer des Raumschiffes Orion. Unter: https://de.wikipedia.org/wiki/Raumpatrouille_%E2%80%93_Die_phantastischen_Abenteuer_des_Raumschiffes_Orion (Eingesehen: 22.03.2024).

 

Reder, Gustav: Mit Uhrwerk, Dampf und Strom: Vom Spielzeug zur Modelleisenbahn, 2. Auflage, Düsseldorf 1988.

 

Online-Portale: montandok.de. Unter: https://www.montandok.de/objekt_start.fau?prj=montandok&dm=Montanhistorisches%20Dokumentationszentrum&ref=205404 und museum-digital. Unter: https://nat.museum-digital.de/object/1193959 sowie Deutsche Digitale Bibliothek. Unter: http://www.deutsche-digitale-bibliothek.de/item/HEF3ATCRCUHIJPUZJ7G7PDNDP66YDJWH (Eingesehen: 22.03.2024).