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„In Kohlengruben […] führt der Markscheider hölzerne Täfelchen mit sich […]“

Das Deutsche Bergbau-Museum Bochum verfügt über eine umfangreiche Sammlung von Objekten des Markscheidewesens. Darunter befindet sich ein Holztäfelchen, das zwar recht unscheinbar wirkt, aber eine nicht unwichtige Funktion für die Vermessung im Bergbau hatte.

Das Stückchen Holz (montan.dok 030150172000) war ein Geschenk eines gewissen Herrn Lorenz, der als Markscheider für die Harpener Bergbau-Aktien-Gesellschaft in Bochum tätig war, wie einem Aktenvermerk vom 30. Mai 1953 zu entnehmen ist (vgl. auch im Folgenden montan.dok/BBA 112/1788). Der Vermessungsingenieur brachte am besagten Tag das Täfelchen persönlich in das damalige Bergbau-Museum Bochum, nachdem er mit dem seinerzeitigen Museumsdirektor Dr.-Ing. Heinrich Winkelmann über die Angelegenheit gesprochen hatte. Auf der entsprechenden Karteikarte ist vermerkt, dass das Holztäfelchen „auf der alten Schachtanlage Sieben Planeten [sic!]“ gefunden wurde. Beschrieben wird das 12 cm lange, 9 cm breite und 2,5 cm hohe Holzstück als „[k]leine rechteckige Holztafel, in der die Zahlen 11/84 eingeschnitzt sind, etwa in der Mitte der oberen Hälfte ein Eisennagel“. 1884 wird als „Baujahr“ angegeben und als „Mängel“ „rissig“ vermerkt.

 

Was dieses als „Markscheidertäfelchen“ benannte Objekt mit dem Vermessungswesen unter Tage zu tun hat, klärt ein Blick in die ebenfalls auf der Karteikarte angegebene Geschäftsanweisung für die concessionierten Markscheider im Oberbergamt Dortmund von 1887 und die einschlägigen Lehrbücher des Markscheidewesens schnell auf. Der Markscheider wird hier angewiesen, bei seinen Vermessungen die Messpunkte mit Markscheiderzeichen zu markieren und Monat und Jahr dabei anzugeben, um späteren Verwechselungen vorzubeugen. Im Lehrbuch von Otto Brathuhn heißt es dazu, dass die Monats- und Jahresangaben unter Tage bei festem Gestein in dieses eingehauen werden, ansonsten böten sich hölzerne Täfelchen, die an der Grubenzimmerung angebracht werden, an. Brathuhn führt weiter aus: „In Kohlengruben z. B. führt der Markscheider hölzerne Täfelchen mit sich, auf denen die Jahres- und Monatszahl nebst laufender Nummer eingebrannt sind, welche in der Nähe der Zeichen an der Zimmerung befestigt werden“. Ein solches Täfelchen ist das 1953 geschenkte Holzstück.

 

Der Fundort, die alte Zeche Siebenplaneten, war im Besitz der Harpener Bergbau-Aktien-Gesellschaft, der Arbeitgeberin des Markscheiders Lorenz. Tiefbauarbeiten auf der Zeche in Bochum fanden ab 1870 statt. Nach den Zahlenangaben, 11 und 84, auf dem Täfelchen wurden offenkundig im November 1884 Vermessungsarbeiten vorgenommen. Ein kleines Stück Markscheidegeschichte hat sich damit in Form des unscheinbaren Objektes erhalten. Kein Wunder, dass der Museumsdirektor es für das Bergbau-Museum Bochum sichern wollte, zumal hier die Abteilung Markscheidewesen in 1950er-Jahren stärker in den Blick genommen wurde.

 

Der genannte Aktenvermerk zu der Übergabe des Täfelchens befindet sich in einer Akte des Deutschen Bergbau-Museums Bochum, in der Vorgänge betreffend die Erneuerung und Umgestaltung der Abteilung Markscheidewesen des Museums im Zeitraum 1951 bis 1964 abgelegt sind (vgl. auch im Folgenden montan.dok/BBA 112/1788). 1951 gelang es im Museum, die letzten Kriegsschäden zu beseitigen. In diesem Jahr wurde auch unter der Leitung des Markscheiders Dr.-Ing. eh. Wilhelm Löhr, Leiter der Geophysikalischen Abteilung der Westfälischen Berggewerkschaftskasse Bochum (WBK), die Markscheide-Abteilung im Museum wiedereingerichtet. Doch bald kamen erste Änderungswünsche im Museum auf. Problematisch war zudem, dass nur leihweise zur Verfügung gestellte Objekte an Firmen, die die Instrumente für Kunden benötigten, zurückgegeben werden mussten. Wiederum mit Hilfe eines Markscheiders der WBK, Ernst Wohlrab, gelang es aber ab 1954, von Unternehmen, die mit dem Bau von Markscheideinstrumenten beschäftigt waren, weitere Objekte für die Ausstellung zu gewinnen. Der Ausbau und die Umgestaltung des Bereiches Markscheidewesen blieb in den folgenden Jahren auf der Agenda. Im Mai 1963 warb das Museum mit einem Rundschreiben an verschiedene Zechen um Überlassung von nicht mehr gebrauchten Geräten für die Abteilung. Bei der Neugestaltung war „die geschichtliche Entwicklung der Hilfsmittel des Markscheiders bis zum heutigen Stand“ von besonderem Interesse. Tatsächlich kamen auf diese Weise einige Instrumente zusammen. Allein die Harpener Bergbau-Aktien-Gesellschaft, deren Markscheider das Museum schon das Markscheidertäfelchen verdankte, stellte 15 Objekte von Ende des 19. Jahrhunderts bis in die 1940er-Jahre zur Verfügung (montan.dok 030150298000 bis 030150305000, 030150308000, 030150301000 bis 030150313000 sowie, heute nicht mehr vorhanden, 15/307 und 030150309000). Neben mehreren Nivellieren, also Messgeräten zum Ermitteln von Höhenunterschieden, und Instrumenten für das Messen von Horizontalwinkeln, Theodolite genannt, zählten auch ein Hängekompass und eine Bussole, d. h. ein Kompass mit Zielvorrichtung, dazu.

 

1965 konnte die Umgestaltung der Abteilung abgeschlossen werden. In den 1970er-Jahren wurde der Bereich von der bisherigen Halle 10 in die Halle 15 des Deutschen Bergbau-Museums Bochum aufgrund der Umgestaltung der Halle 10 umgezogen. Die frei zugänglichen Instrumente erfuhren in den 1980er-Jahren einige Beschädigungen, was Reparaturen und die weitere Verwahrung unter Glas nötig machte. Die oben genannte Bussole, die stark beschädigt war und deren Fernrohr fehlte, wurde beispielsweise ganz aus der Ausstellung entfernt. 1993 wurde die „zunehmend unattraktiv gewordene“ (Slotta: Dauerausstellungen, S. 740) Ausstellung noch verkleinert. Auch in der jetzigen Dauerausstellung ist dem Markscheidewesen nicht mehr der Platz wie noch einst in den 1950er- und 1960er-Jahren eingeräumt worden.

 

Das Interesse, für die Ausstellung bzw. für die Musealen Sammlungen auch weiterhin die (neuesten) Instrumente des Markscheidewesens zu erwerben, blieb aber stets ungebrochen. Man denke nur an den von der WBK entwickelten Vermessungskreisel „Gyromat“ (montan.dok 030003386001), der nicht nur im Bergbau, sondern auch bei anderen Vermessungen wie dem Bau des Eurotunnels zwischen Calais und Dover zum Einsatz kam und noch heute in neueren Versionen verwendet wird.

 

Gepflegt wird die reiche Sammlung der Objekte des Markscheidewesens durch das Montanhistorische Dokumentationszentrum, um sie für die weitere Forschung zu bewahren und auch für zukünftige Ausstellungen bereitzuhalten.

 

02. Juni 2020 (Dr. Maria Schäpers)


Literatur

Montanhistorisches Dokumentationszentrum (montan.dok) beim Deutschen Bergbau-Museum Bochum 030150172000, 030150298000 bis 030150305000, 15/307, 030150308000, 030150309000 bis 030150313000, 030003386001

 

Montanhistorisches Dokumentationszentrum (montan.dok) beim Deutschen Bergbau-Museum Bochum/Bergbau-Archiv Bochum (BBA) 112/1788.

 

Brathuhn, Otto: Lehrbuch der Markscheidekunst, Leipzig 1902.

 

Farrenkopf, Michael/Ganzelewski, Michael: Das Wissensrevier. 150 Jahre Bergbauforschung und Ausbildung bei der Westfälischen Berggewerkschaftskasse/DMT-Gesellschaft für Lehre und Bildung. Bd. 2: Katalog zur Sonderausstellung, Bochum 2014 (= Veröffentlichungen aus dem Deutschen Bergbau-Museum Bochum, Nr. 198; = Schriften des Bergbau-Archivs, Nr. 29).

 

Gebhardt, Gerhard: Ruhrbergbau. Geschichte, Aufbau und Verflechtung seiner Gesellschaften und Organisationen, Essen 1957.

 

Geschäftsanweisung für die concessionierten Markscheider im Oberbergamt Dortmund 14. Mai 1887, in: Mittheilungen aus dem Markscheidewesen 1888, Heft 3, S. 44-60.

 

Mintrop, Ludger: Einführung in die Markscheidekunde mit besonderer Berücksichtigung des Steinkohlenbergbaues, Berlin 1912.

 

Schulte, Gottfried/Löhr, Wilhelm: Markscheidekunde für Bergschulen und für den praktischen Gebrauch, neubearb. von Löhr, Wilhelm/Wohlrab, Ernst, Berlin u. a. 1958.

 

Slotta, Rainer: Die Dauerausstellungen, in: ders. (Hrsg.): 75 Jahre Deutsches Bergbau-Museum Bochum (1930 bis 2005). Vom Wachsen und Werden eines Museums, Bd. 2, Bochum 2005 (= Veröffentlichungen aus dem Deutschen Bergbau-Museum Bochum, Nr. 134), S. 613-748.