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Fund des Monats: Post aus Japan

Im Oktober 1936 erreichte ein Paket aus Japan das damalige Bergbau-Museum in Bochum. Die Freude im Museum war groß, denn dort hatte man die zwei aus Tokio übersandten Rollbilder mit Darstellungen zum japanischen Goldbergbau schon sehnlichst erwartet.

Rollbilder für Bochum

 

Sano Hidenosuke, Professor für Bergbaukunde an der Kaiserlichen Universität in Tokio, hatte auf Bitten des Museumsdirektors Dr.-Ing. Heinrich Winkelmann die Rollbilder anfertigen lassen. Sie sind eine Nachzeichnung der wohl nach 1730 entstandenen und immer noch in Tokio befindlichen Bildrollen. Die eine Rolle misst eine Länge von 12 m, die andere 12,60 m. Beide sind 29 cm breit. Die farbigen Aquarelle zeigen die Gewinnung und Verarbeitung von Gold auf der Insel Sado. Das begehrte Edelmetall wurde auf der westlich der japanischen Hauptinsel Honshū vorgelagerten Insel zunächst aus Seifen gewonnen. Seit 1542, vermehrt erst ab 1620, wurde es unter Tage abgebaut. Viele der Bergleute mussten dabei die Arbeit zwangsweise verrichten.

 

Die Rollbilder veranschaulichen die schwere Arbeit in vielen Details. Nur mit einem Lendenschurz bekleidet, arbeiten die Hauer mit einem ungestielten Bergeisen, das von einer Zange gehalten wird, und einem Fäustel. Schlepper transportieren die Erze in Bambuskörben auf dem Rücken. Ein handbetriebener Holzventilator sorgt für die Bewetterung. Die Wasserhebung erfolgt mit Kübeln an Seilen, die über an den Firsten befestigten Rollen laufen, oder ganz per Hand transportiert werden. Das Wasser wird dabei in die jeweils höher gelegenen Wasserkästen bzw. in einen Sumpf geleitet. Als Geleucht werden Öllampen, in ihrer Form vergleichbar mit den im europäischen Bergbau verwendeten Froschlampen, benutzt. Auch die Arbeit an der Grubenzimmerung ist dargestellt. Mit Fahrbäumen, Baumstämme mit eingehauenen Stufen, und Fahrbühnen gelangen die Bergleute an die Abbaustellen. Neben dem Untertagebetrieb wird die Aufbereitung und Verhüttung über Tage auf den Rollenbildern ausführlich veranschaulicht und manches mehr.

 

Nach heutigen Schätzungen befinden bzw. befanden sich mehr als 100 Rollbilder über den Bergbau auf Sado in Japan. Nur wenige Rollen geben den Namen des Künstlers und ihre Entstehungszeit an, daher fällt eine Datierung der jeweiligen Stücke nicht leicht. Die älteste der Bildrollen dürfte im Auftrag von Hagiwara Genzaemon Yoshimasa, der Sado in Stellvertretung für das Tokugawa bakufu zwischen 1732 und 1736 verwaltete, entstanden sein. Möglicherweise im Zusammenhang mit seinem Vorschlag zur Reform der Bergbauverwaltung aufgrund der Verluste in den vorausgegangenen Jahren veranlasste er die Herstellung der Rolle durch den Künstler Yamao Kakuken. Die Nachfolger Hagiwaras ließen bis in die Mitte des 19. Jahrhunderts ebenfalls Bildrollen malen. Dabei wurden die älteren Darstellungen entweder einfach kopiert oder aber den Veränderungen der jeweiligen Zeit angepasst. Trotz der Ähnlichkeit der Darstellung geben diese Anpassungen Hinweise auf die Entwicklung des Bergbaus auf Sado.

 

Nicht nur in Japan, sondern auch in den USA und Europa werden diese Rollen verwahrt. Allein in Deutschland sind 13 Bildrollen bzw. Leporellos nachzuweisen. Noch Anfang des 21. Jahrhunderts wurde dem Stadt- und Bergbaumuseum Freiberg ein solches Rollbild geschenkt. Wie beim Bochumer Exemplar dürfte es sich bei vielen dieser Beispiele um Kopien handeln. Sie wurden wahrscheinlich als Geschenke für ausländischen Experten hergestellt. Diese waren seit der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts von der japanischen Regierung angeworben worden, um die Reformbemühungen im Land nach Jahrhunderten der Abschottung zu unterstützen.

 

Im Allgemeinen Schriftwechsel des DBM, der im Bestand 112: Deutsches Bergbau-Museum Bochum, Bochum, im Bergbau-Archiv Bochum verwahrt wird, finden sich genauere Hinweise zum Hintergrund der Schenkung des japanischen Professors. Sano besuchte nämlich 1934 das Bergbau-Museum, wie aus einem handschriftlichen Vermerk Winkelmanns auf einem Schreiben Sanos hervorgeht (vgl. auch im Folgenden montan.dok/BBA 112/763). Wohl anlässlich dieses Besuchs wurde über die Rollbilder gesprochen, denn ein Jahr später fragte Winkelmann, wie der Stand der Dinge bezüglich der versprochenen Nachbildungen sei. Sano antwortete einige Monate später, dass er nach einer längeren Studienreise durch Kanada und Amerika die Anfertigung der Bilder veranlasst habe. Drei Monate später, im Juni 1936, meldete er Vollzug. Es fehlten nur noch die Übersetzung der Bildbeschreibung und ein Kasten für die Aufbewahrung der Kunstwerke. Mit welcher Spannung der Bochumer Museumsleiter auf die Sendung wartete, spiegelt sich in seinem Vermerk auf einem weiteren Brief Sanos vom 22. August 1936 über die erfolgte Versendung der wertvollen Fracht: Winkelmann kommentiert hier seine Anweisung auf Wiedervorlage des Briefs mit dem Satz „Wir müssen uns wohl noch einen Monat gedulden Frist 22.9.36. W“.

 

Im Oktober 1936 erreichte dann endlich die Sendung aus Japan ihr Ziel. In einem ausführlichen Brief bedankte sich Winkelmann für das Geschenk und berichtete dabei über die aktuellen Baufortschritte zur Erweiterung des Museums und die Pläne für ein Anschauungsbergwerk unterhalb des Museums. Er betonte, dass der gesamte Bergbau – nicht nur der Deutschlands – dargestellt werden solle. Die Rollbilder aus Japan seien an der richtigen Stelle und würden vielen Menschen gezeigt werden.

 

Sano erwiderte das Schreiben Winkelmanns im Januar 1937 mit dem Hinweis, dass seine Frau die Kopien angefertigt habe, und lehnte eine Gegengabe ab. Dass sich Winkelmann dennoch erkenntlich zeigen wollte, geht aus einem Schreiben von Prof. Dr.-Ing. Friedrich Herbst an Winkelmann hervor. Er war zu diesem Zeitpunkt Geschäftsführer der Westfälischen Berggewerkschaftskasse, zu der das damalige Bergbaumuseum gehörte. Herbst reichte die Antwort Sanos von Januar 1937 an Winkelmann zurück und erklärte sich nach der mündlichen Rücksprache mit dem Museumsdirektor mit der Beschaffung einer „Agricola-Ausgabe“ einverstanden. Tatsächlich sollte Winkelmann später eine solche Professor Sano überreichen.

 

Der Schriftwechsel birgt so nicht nur wertvolle Informationen zur Objektgeschichte der japanischen Rollbilder im DBM, sondern auch Hinweise zu den Konzepten und Plänen für das Museum. Durch die archivische Aufbereitung des Bestandes im Rahmen des Projektes „montan.dok 21“ werden solche Informationen für die Forschung greifbar.

 

22. Mai 2018 (Dr. des. Maria Schäpers)

 


Literatur

Montanhistorisches Dokumentationszentrum (montan.dok) beim Deutschen Bergbau-Museum Bochum/Bergbau-Archiv (BBA) 112/763

 

Montanhistorisches Dokumentationszentrum (montan.dok) am Deutschen Bergbau-Museum Bochum/Museale Sammlungen 030330914000

 

Mathias, Regine: Picture scrolls as a historical source on Japanese mining, in: Kimm, Nanny/Nagase-Reimer, Keiko (Hrsg.): Mining, Monies and Culture in Early Modern Societies. East Asian and Global Perspectives, Leiden-Boston 2013 (= Monies, Markets, and Finance in East Asia, 1600-1900, Nr. 4), S. 291-310.

 

Thiel, Ulrich: Eine japanische Bildrolle mit Bergbaudarstellung – Bedeutender Neuzugang im Stadt- und Bergbaumuseum Freiberg, in: Der Anschnitt 56, 2004, H. 2-3, S. 110-112.

 

Treptow, Emil: Der altjapanische Bergbau und Hüttenbetrieb, dargestellt auf Rollbildern, Jahrbuch für das Berg- und Hüttenwesen im Königreiche Sachsen 4, 1904, S.149-160.

 

Winkelmann, Heinrich: Das Sado-Goldbergwerk auf japanischen Rollbildern, in: Der Anschnitt, 9, 1957, H. 4, S. 20-25.

 

Winkelmann, Heinrich: Altjapanischer Goldbergbau, Wethmar 1964.

 

Die Vorlagen für die Rollbilder im DBM sind digitalisiert und abrufbar unter: http://gazo.dl.itc.u-tokyo.ac.jp/kozan/emaki/index_05.html

Rolle 1: http://gazo.dl.itc.u-tokyo.ac.jp/kozan/emaki/06/index.html und Rolle 2: http://gazo.dl.itc.u-tokyo.ac.jp/kozan/emaki/07/index.html

 

Es gibt ein Besucherbergwerk auf Sado; die Homepage bietet Impressionen der dortigen Ausstellung: http://www.sado-kinzan.com/

 

Literaturnachtrag: Lentzsch, Susann: Die japanische Bildrolle mit Bergbaudarstellungen des Stadt- und Bergbaumuseums Freiberg, in: Mitteilungen des Freiberger Altertumsvereins 111/112, 2018, S. 129-163.