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Wer ist eigentlich Max? Und warum brauchte er Wasser?

Immer wieder gelangen über Schenkungen Konvolute unterschiedlichster Objekte in die Musealen Sammlungen des Montanhistorischen Dokumentationszentrums (montan.dok). Darunter befinden sich auch Objekte, die auf den ersten Blick Fragen aufwerfen. 2019 stand ein solches Konvolut noch im Aufnahme-Regal, als die ersten Objekte für die 3D-Digitalisierung im Rahmen des Aktionsplans für Leibniz-Forschungsmuseen, Phase II, ausgewählt wurden. Obwohl das kleine graue Kunststoff-Männchen die Betrachtenden aus dem Regal so freundlich anlächelte, war das selbstverständlich nicht der Grund für seine Auswahl zur Digitalisierung. Es diente vielmehr als erster Test für die möglichen minimalen Dimensionen, die mit den Scan-Geräten der Firma Artec aufgenommen werden können.

Aber was hat es mit der, durch ihren Sockel als „MAX“ bezeichneten Figur auf sich (montan.dok 037000406001)? An ihr lässt sich durch Recherchen ein Kapitel der Industriegeschichte der Deutschen Demokratischen Republik (DDR) erzählen. Laut Informationen des Schenkers gilt das 20-jährige Jubiläum von „Max braucht Wasser“ als Hintergrund für die Entstehung der Kunststofffigur.

 

 

Dabei handelte es sich um einen freiwilligen Arbeitseinsatz der Freien Deutschen Jugend (FDJ) Anfang 1949. Mit Max ist die 1872 gegründete Maxhütte in Unterwellenborn gemeint, die 1946 enteignet und 1948 zum VEB (volkseigenen Betrieb) Bergbau- und Hüttenkombinat Maxhütte umbenannt worden war. Das Werk war im Zweiten Weltkrieg nur wenig beschädigt worden, trotz des Einsatzes in der Rüstungsindustrie. Nachdem andere Stahlwerke als Reparationsleistung durch die sowjetische Besatzungsmacht demontiert worden waren, blieb es als einziger Betrieb zur Produktion von Roheisen in der sowjetischen Besatzungszone (SBZ) übrig. Das Material war von großer Bedeutung für den Wiederaufbau in der SBZ und späteren DDR, besonders auch für die Fertigung der ebenfalls demontierten Schienen. Doch für eine Inbetriebnahme fehlte Kühlwasser. Eine Wasserleitung musste her, um diese zu bauen, fehlten allerdings Arbeitskräfte und Werkzeuge. 

 

Mit Liedern wie „Unser Kumpel Max der Riese“ und „Unser Max braucht Wasser, deshalb bauen wir eine Wasserleitung“ wurden freiwillige Helfer durch die FDJ angeworben. Etwa 2700 Helfer, darunter viele Studenten und Schüler, folgten dem Aufruf. Sie luden Materialien ab, transportierten diese und gruben Schächte in den vereisten Boden. Statt der von Experten kalkulierten Bauzeit von neun Monaten, wurde die über 5 km lange Wasserleitung von der Saale zum Werk in nur drei Monaten fertiggestellt. Anschließend überpinselte man die Parole „Max braucht Wasser“ auf den Schildern mit „Max hat Wasser“. Trotz einfacher Unterkünfte und schlechter Ernährung war die Stimmung laut Zeitzeugen gut und die Propaganda, namentlich der Minister Fritz Selbmann, feierte den schnellen Erfolg „als Beweis für die Richtigkeit unserer Politik“. 

 

Die Maßnahme und die einprägsamen Erlebnisse blieben in so guter Erinnerung, dass in Anlehnung daran weitere Aktionen ins Leben gerufen wurden. Diese versuchten in den letzten Jahren der DDR die anfängliche Aufbruchsstimmung wiederaufleben zu lassen. „Max braucht Kunst“ legte 1988 den Grundstock für eine der größten betriebseigenen Kunstsammlung der DDR. 1989 sammelten Mitglieder der FDJ für „Max braucht Schrott“ Stahl und bauten ausgediente Eisenbahnbrücken und Stahlbauwerke ab, um den Betrieb weiter am Laufen halten zu können.

 

Zu verschiedenen Jubiläen wurden Andenken hergestellt. Die hier vorgestellte Werbefigur aus der Plastverarbeitung Otto Voigt ist eines davon. Dargestellt ist womöglich ein Teil des Hochofens. Die Flamme am Kopf verdeutlicht wahrscheinlich die Wiederinbetriebnahme und der blaue Rettungsring die Rettung durch die Wasserleitung. Für die Max-Figur kann ein erzieherischer, sozialistischer Auftrag angenommen werden, da eine aktive Unterstützung der VEB durch Freiwillige z.B. in Form der FDJ-Jugendobjekte gefördert und gefordert wurde. Ein weiteres Andenken an die Aktion in den Musealen Sammlungen des montan.dok ist ein Humpen (montan.dok 037000960001), der ein älteres Zielpublikum ansprechen und nostalgisch zurückblicken lassen sollte und konnte.

 

Doch all die positiven Erzählungen konnten nicht über die hohen Unfallzahlen und den Ruf als Knochenmühle hinwegtäuschen. Auch Zwangsarbeiter wurden während des Zweiten Weltkriegs sowie in Zeiten der DDR besonders an den schwierigen und gefährlichen Arbeitsplätzen eingesetzt. In den Hochzeiten waren über 7000 Menschen bei der Maxhütte beschäftigt, da die Löhne vergleichsweise hoch lagen und so über die schwierigen Arbeitsbedingungen hinwegtrösteten. Das Werk prägte die gesamte Umgebung, inklusive starker Luftverschmutzung. Außerdem finanzierte die Maxhütte das größte Volkskunst-Ensemble der DDR im durch das Werk miterrichteten Kulturpalast. Im Zuge der politischen Wiedervereinigung wanderten ab 1989 trotzdem viele Mitarbeiter:innen in den Westen ab. Am 10. Juli 1992 endete die Zeit der Maxhütte mit dem letzten Abstich. Das Werk wurde verkauft, große Teile abgerissen. Nur ein Bruchteil der Anlage wird derzeit noch unter dem Namen Stahlwerk-Thüringen weiterbetrieben. 

 

Heute befindet sich eine Straße an der Stelle, an der einst das Werk stand. Die ehemalige Gasmaschinenhalle, einige zurückgelassene Gleise, zwei Erzöfen und ein Rohstahlbehälter erinnern an die vormaligen Dimensionen. In Form von Objekten wie dem Max-Figürchen und dem Humpen wird dieser Teil der Geschichte ostdeutscher Industrie im montan.dok beispielhaft für zukünftige Generationen und für wissenschaftliche Zwecke bewahrt.

 

01. Juli 2025 (Jessica Hornung, M.A.)


Literatur

Montanhistorisches Dokumentationszentrum (montan.dok) des Deutschen Bergbau-Museums Bochum/Museale Sammlungen 037000406001, 037000960001.

 

Geschichte und Charakteristik der Werbefigur. Unter: http://www.ddr-werbefiguren.de/werbefiguren/geschichte.html (Eingesehen: 20.01.2025).

 

Hoffmeister, Christine/Nitzsche, Gotthard/Streit, Peter: 1949: Max braucht Wasser, 2009. Unter: http://www.lgd.de/lgd-kompakt/schulgeschichte/1949-max-braucht-wasser.html (Eingesehen: 20.01.2025).

 

Katschmer, Edwin: Die Kunstsammlung Maxhütte. Unter: http://www.edwin-kratschmer.de/Die_Kunstsammlung_Maxh%C3%BCtte (Eingesehen: 20.01.2025).

 

Landesarchiv Sachsen-Anhalt, Abteilung Merseburg, Kombinat VEB Chemische Werke Buna, Fotosammlung, Nr. A 7751/9. Unter: https://landesarchiv.sachsen-anhalt.de/fileadmin/Bibliothek/Politik_und_Verwaltung/MI/LHA/externa_alt/8990_Jan_Alltag_6.htm (Eingesehen: 20.01.2025)

 

Pönisch, Carola: DDR-Werbefiguren: Weit mehr als Minol-Pirol und Messemännel, in: Dresdner Wochenzeitung v. 07.05.2022. Unter: https://dawo-dresden.de/2022/05/07/ddr-werbefiguren-minol-pirol-messemaennel-torten-meisel/ (Eingesehen: 20.01.2025).

 

Spurensuche in Ruinen – Die Maxhütte Unterwellenborn, Mitteldeutscher Rundfunk 2008. Unter: https://www.youtube.com/watch?v=YbBTwCRG714 (Eingesehen: 20.01.2025).

 

Stahlwerk-Thüringen. Unter: https://www.stahlwerk-thueringen.de/unternehmen/swt/historie/ (Eingesehen: 20.01.2025).

 

Online-Portale: montandok.de. Unter: https://www.montandok.de/objekt_start.fau?prj=montandok&dm=Montanhistorisches%20Dokumentationszentrum&ref=277807 (Eingesehen: 20.01.2025).

 

3D-Modell: https://kompakkt.de/entity/67a31a8a579fd06d8f86a852?locale=en und https://sketchfab.com/3d-models/max-braucht-wasser-037000406001-d84f29075b484b64ae3fdcde3bee3f51