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Schulwandbild „Elektro-hydraulischer Walzenlader von Eickhoff W-SE IV“

Die Generation, die bis in die 1990er-Jahre die Schulbank drückte, wird sich noch gut daran erinnern: das Schulwandbild. Gerollt aufbewahrt, entfaltete es während des Unterrichts seine volle Wirkung erst am Kartenständer, wo es in bunter Grafik das Planetensystem vorstellte, Einblicke in die Pflanzen- und Tierwelt gab oder die Eroberungen des römischen Reiches zeigte. Ein Wandbild zur Technik eines Walzenladers macht deutlich, dass diese Bilder auch im Unterricht von Bergschülern eine wichtige Rolle spielten.

Lange Zeit beruhte die Ausbildung im Bergbau auf einer Weitergabe praktischen Wissens und auf dem Erlernen der notwendigen Arbeitsschritte während der Arbeit vor Ort. Zwar ermöglichten seit dem 18. Jahrhundert die ersten Bergbau-Universitäten –  so die 1765 gegründete Bergakademie Freiberg – die Vermittlung bergbauspezifischen Wissens für diejenigen, die etwa als Bergassessoren in staatlichen Diensten oder als Zechendirektoren Führungsaufgaben übernahmen. Doch erst mit der Einführung der ersten Bergschulen Anfang des 19. Jahrhunderts kamen auch Steiger in den Genuss einer geregelten Ausbildung. Die große Mehrheit der im Bergbau Tätigen wurde nach wie vor auf den Zechen während der Arbeit als Schlepper oder Hauer angelernt. Erst in den 1930er-Jahren und flächendeckend nach dem Zweiten Weltkrieg setzte sich in Deutschland eine Facharbeiterausbildung an den neuen Bergberufsschulen durch. 1969 wurde der bis dahin geltende Hauerbrief abgeschafft und durch eine dreijährige Ausbildung zum Bergmechaniker abgelöst.

 

Ein wichtiger Grund für diese Professionalisierung in der bergmännischen Ausbildung war eine stetig zunehmende Mechanisierung seit dem 19. Jahrhundert.  Beruhte die Tätigkeit von Bergleuten bis in die 1920er-Jahre hinein noch vornehmlich auf händischer Tätigkeit und der Verwendung einfacher Werkzeuge, so stellte die gleichzeitige Einführung immer komplexerer und größerer Maschinen neue Anforderungen an Lehre und Ausbildung. Marksteine einer nach dem Zweiten Weltkrieg einsetzenden Entwicklung hin zu einer Vollmechanisierung unter Tage waren der in den 1930er-Jahren im Ibbenbürener Bergbau entwickelte Kohlenhobel und Anfang der 1960er-Jahre der Walzenlader.

 

Somit steht das hier gezeigte Schulwandbild zunächst für eine technologische Wende. Dargestellt ist der hydraulische Walzenlader mit Elektroantrieb W-SE IV der Gebr. Eickhoff Maschinenfabrik u. Eisengießerei mbH (montan.dok 037001444001) aus den Musealen Sammlungen des Montanhistorischen Dokumentationszentrums (montan.dok). Mit der 1961 auf den Markt gebrachten Maschine sei, wie es in der Bedienungsanleitung vollmundig heißt, die „Vollmechanisierung der schneidenden Gewinnung verwirklicht“ (montan.dok/BBA FP 1626/20). Die grundsätzliche Arbeitsweise dieser bergbautechnischen Innovation ist aber auch für den Laien in den Grundzügen erkennbar. Eine sich drehende und mit Schneidmeißeln besetzte Walze wurde an schweren Ketten am Flöz entlanggezogen, um so mit jedem Durchgang ein paar Zentimeter Kohle abzuschneiden und auf ein Transportband fallen zu lassen. Die Feinheiten der Antriebsmechanik werden allerdings erst auf dem Schulwandbild sichtbar. Zu sehen ist die Maschine in zwei Ansichten: oben in der Seitenansicht, darunter in der Draufsicht. Bauteile und Antriebskomponenten sind in den Farben Gelb, Blau, Grün, Beige und Schwarz unterschieden, wobei die rechtwinklig abstehende Schneidwalze unten links im Bild klar zu erkennen ist. Weitere Ansichten zeigen den Walzenlader am unteren Rand in geschlossenem Zustand und in der Anordnung im Streb zusammen mit den Ausbauschilden.

 

Weiterhin markiert das Schuldwandbild als Unterrichtsmedium den Wunsch, ein komplexes technisches Wissen klar und verständlich aufzubereiten. Es folgt damit dem Stil Jahrhunderte alter Darstellungen, die in Ergänzung zu beschreibenden Texten das Wissen um Maschinen und technische Vorrichtungen vor Augen führten. Berühmte Beispiele hierfür sind die Maschinendarstellungen in den Holzschnitten zu Georg Agricolas (1494-1555) „De re metallica libri XII“ von 1556 oder die Kupferstiche aus der Encyclopédie von Denis Diderot (1713-1784) und Jean Baptiste le Rond d’Alembert (1717-1783). Anders als diese frühneuzeitlichen Vorläufer ist unsere Wandkarte ganz im Stil einer maßstabgetreuen technischen Zeichnung gehalten, wie sie sich in Lehrbüchern oder Bedienungsanleitungen noch heute findet. Hinzu kommt die Farbgebung. So sind die Leitungen der Wasserpumpe für das Sprinklersystem zur Kohlenstaubbekämpfung in Grün, die Schmierölpumpe in Rot und das Getriebe in Blau gefärbt.

 

Die ersten Schulwandbilder sind ab der Mitte des 19. Jahrhunderts überliefert, als die damals neue Technik der Lithographie den Druck großformatiger farbiger Landkarten und Illustrationen ermöglichte. Erste Serien für den Schulunterricht entstanden nach 1870 in der seitdem typischen Form einer mit zwei Rundholzstäben oben und unten verstärkten Karte, die sich auf diese Weise leicht aufrollen und verstauen ließ. Gedruckt wurden die Karten in großer Zahl durch auf Unterrichtsmaterialien spezialisierte Verlagshäuser, die dann in den 1950er- und 1960er-Jahren zum wesentlich kostengünstigeren Offsetdruck übergingen. Ihren Charakter als Lehrmittel machen die häufig als Ergänzung gedruckten Begleitkommentare und Handreichungen deutlich. So wurde beispielsweise für das Wandbild eines Steinkohlenbergwerks eine dazugehörige Broschüre in Zusammenarbeit mit dem damaligen Bergbau-Museum Bochum erarbeitet.

 

In ihrer Vielgestaltigkeit und der Breite ihrer Themen sind Schulwandbilder für die Geschichte des Bergbaus eine Bildquelle ersten Ranges. Bis in die Mitte des 20. Jahrhunderts hinein geben sie Auskunft über an den Bergschulen vermittelte Lerninhalte, aber auch wie im Fall des Walzenladers über einen allgemeinen technologischen Wandel. Durch einen umfangreichen Zugang aus Ibbenbüren konnten die Musealen Sammlungen des montan.dok 2023 ihren Bestand an Schulwandbildern erweitern.  Sie sollen künftig erfasst, dokumentiert und einer breiten Öffentlichkeit präsentiert werden.

 

01. März 2024 (Dr. Stefan Siemer)

 


Literatur

Bleidick, Dietmar: Entwicklung der Montanberufe und des bergbaulichen Bildungswesens seit Ende des 19. Jahrhunderts, in: Ziegler, Dieter (Hrsg.): Rohstoffgewinnung im Strukturwandel. Der deutsche Bergbau im 20. Jahrhundert, Münster 2013 (= Geschichte des deutschen Bergbaus, Bd. 4), S. 413-443.

 

Moitra, Stefan: Das Wissensrevier. 150 Jahre Bergbauforschung und Ausbildung bei der Westfälischen Berggewerkschaftskasse/DMT-Gesellschaft für Lehre und Bildung. Die Geschichte einer Institution, Bochum 2014 (= Kretschmann, Jürgen/Farrenkopf, Michael [Hrsg.]: Das Wissensrevier. 150 Jahre Westfälische Berggewerkschaftskasse/DMT-Gesellschaft für Lehre und Bildung, Bd. 1).

 

Neurath, Otto: From Hieroglyphics to Isotype. A visual Autobiography, hrsg. v. Matthew Eve/Christopher Burke, London 2010.

 

Uphoff, Ina Katharina/von Velsen, Nicola (Hrsg.): Schaubilder und Schulkarten. Von Bildern lernen im Klassenzimmer, München/London/New York 2018.