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Klein, aber oho: Der Schienenschlepper im Anschauungsbergwerk

Gerade einmal eineinhalb Meter lang, einen Meter hoch und gut einen halben Meter breit ist der Schienenschlepper im Anschauungsbergwerk des Deutschen Bergbau-Museums Bochum. Dafür kann er sehr große Lasten bewegen und ist ein wichtiges Hilfsmittel für unsere „Grubis“ – die Mitarbeitenden des Fachbereichs Bergbautechnik/Grubenbetrieb. Bis eines Tages die Kardanwelle nicht mehr mitspielte.

Wie das mit Oldtimern, dazu kann der Schienenschlepper (montan.dok 030007623001) mit seinen 64 Jahren getrost gezählt werden, so ist, ist die Beschaffung von Ersatzteilen oft nicht gerade einfach. Zumal die Herstellerfirma Heinrich Bartz Kommanditgesellschaft Dortmund längst nicht mehr existiert und diese kleine Akkulokomotive in nur geringer Stückzahl produziert worden ist. Schlussendlich fand sich eine Firma, die in der Lage war, das wichtige Element zur Kraftübertragung im Antrieb nachzubauen. Mit der neuen Kardanwelle läuft die Lok wieder rund und ein ganzes Stück leiser. Das konnte Willi Fockenberg, Fachbereichsleiter Bergbautechnik/Logistik im Deutschen Bergbau-Museum Bochum, kürzlich mit Freude bei einem Besuch demonstrieren.

 

Zwar kann der Schienenschlepper bis zu vier volle Förderwagen à 1000 Liter transportieren, doch werden heute lediglich zwei für den Materialtransport angehängt, um die Belastung in Maßen zu halten. Besucherinnen und Besucher bekommen die Akkulok eher zufällig zu Gesicht, wenn sie im Arbeitseinsatz ist. Aber zum Girls’ Day, der regelmäßig im Museum stattfindet, dürfen die Teilnehmerinnen sich einmal als Lokführerin auf ihr ausprobieren. Die Lok kann von beiden Seiten gesteuert werden, so befindet sich an jedem Ende ein Sitz. Laut Typenbeschreibung kann der Schienenschlepper 5 km/h schnell fahren, aber auf Geschwindigkeit kommt es in diesem Moment wohl kaum an.

 

Der Schienenschlepper kam vor gut 57 Jahren in das damalige Bergbau-Museum Bochum. Zuvor war er auf der Zeche Mansfeld im Bochum-Langendreer im Einsatz. Zwar hatte die Zeche den Absatzeinbruch Ende 1957/Anfang 1958 im Steinkohlenbergbau noch verhältnismäßig gut überstanden, bis 1959 waren zumindest keine Verluste, wenn auch keine Gewinne zu verzeichnen. Doch verschlechterte sich die Lage zusehends. Geringe Absatzpreise, hohe Instandhaltungs- und Materialkosten, Lohnerhöhung und zunehmende Probleme beim Abbau der Kohle wegen geologischer Störungen konnten trotz Mechanisierungs- und Rationalisierungsmaßnahmen nicht ausgeglichen werden. Die Aussicht auf Stilllegungsprämien tat ihr Übriges. Am 25. Juni 1962 wurde die Stilllegung beschlossen. Seit Oktober 1962 wurde mit der Einstellung der Förderung und der Abwicklung des Betriebes begonnen. Zu den Maßnahmen rund um die Stilllegung gehörte auch das Ausrauben des vorhandenen Materials und dessen Verkauf.

 

Im Januar 1963 erreichte ein Anruf das Bergbau-Museum Bochum: Bergassessor a. D. Hans Günter Conrad, der Assistent des damaligen Museumsdirektors Dr.-Ing. Heinrich Winkelmann, nahm das Gespräch an (vgl. auch im Folgenden montan.dok/BBA 112/396). Dabei stellte ihm der Wirtschaftsingenieur Gustav Kleinhans der Zeche Mansfeld, der offenbar mitverantwortlich für das Rauben der Zeche war, eine ganze Reihe an Objekten als Schenkung in Aussicht. Zu mehren Terminen im Februar, März und April kamen die Schenkungen in das Museum, wie entsprechende Lieferscheine, Aktenvermerke und Aufstellungen belegen. Im Juni 1963 schrieb Winkelmann ein Dankesschreiben an die Steinkohlenbergwerk Mansfeld GmbH mit einer Auflistung der geschenkten Gegenstände. An erster Stelle stand der Schienenschlepper, der schon am 25. Februar 1963 im Museum eingegangen war.

 

Der Schienenschlepper war offenkundig von Anfang an für das Anschauungsbergwerk vorgesehen; er wird in einer Liste vom Beginn der 1970er-Jahre über dort vorhandene Maschinen mit handschriftlichen Ergänzungen wie Hinweisen zu Wartungsarbeiten genannt (vgl. Objektdokumentation zu montan.dok 030007623001). Hier war im Jahr 1962 mit dem Bau am Walzenstreb als zweitem Hochleistungsstreb neben dem gerade fertiggestellten Hobelstreb begonnen worden. Die Arbeiten dauerten noch an, als die Schenkung 1963 von der Zeche Mansfeld kam. Im Zuge der Maßnahme war dafür gesorgt worden, dass nicht mehr per Hand, sondern mit Hilfe einer Akku-Zubringerlokomotive Bergmassen transportiert werden konnten. Dafür wurde eine eigene Akkumulatorenstation eingerichtet. Der Schienenschlepper selbst wird mit Hilfe von zwei Akkumulatoren betrieben. Diese waren ebenfalls zusammen mit anderen Batterien und einer Ladestation ein Geschenk aus Bochum-Langendreer. Nachdem die Lok von der Herstellerfirma Bartz im Juni 1963 überholt worden war, stand einem Einsatz nichts mehr im Wege, wenn auch genauere Informationen zum Gebrauch in der ersten Zeit fehlen.

 

Neben dem Schienenschlepper gibt es zahlreiche Maschinen aus unterschiedlichen Zeiten und Bergbausparten im Anschauungsbergwerk. Studien zu der Wirkung von Objekten auf Besucherinnen und Besucher eines Wissenschafts- und Technikmuseums, wie des Deutschen Museums in München, haben gezeigt, dass die Funktionstüchtigkeit als sehr wichtig erachtet wird. Sie, wie auch entsprechende bewegliche Modelle, können besonders gut Wissen über die Funktionsweise von Objekten vermitteln. Durch ständige Wartung der Maschinen und großes Engagement, nicht nur was die Beschaffung von Ersatzteilen angeht, wird im Anschauungsbergwerk des Deutschen Bergbau-Museums Bochum dazu beigetragen, dass Kinder und Erwachsende einen lebendigen Eindruck von der Arbeit unter Tage bekommen.

 

01. November 2020 (Dr. Maria Schäpers)

 


Literatur

Montanhistorisches Dokumentationszentrum (montan.dok) beim Deutschen Bergbau-Museum Bochum 030007623001

 

Montanhistorisches Dokumentationszentrum (montan.dok) beim Deutschen Bergbau-Museum Bochum/Bergbau-Archiv Bochum (BBA) 112/396, 112/425, 112/426

 

Farrenkopf, Michael: Wiederaufstieg und Niedergang des Bergbaus in der Bundesrepublik, in: Ziegler, Dieter (Hrsg.): Geschichte des deutschen Bergbaus, Bd. 4: Rohstoffgewinnung im Strukturwandel. Der deutsche Bergbau im 20. Jahrhundert, Münster 2013, S. 183-302.

 

Hampp, Constanze/Schwan, Stephan: Authentizität in der Wahrnehmung und Bewertung von Museumsobjekten. Ergebnisse empirischer Besucherstudien aus dem Deutschen Museum in München, in: Eser, Thomas u. a. (Hrsg.): Authentisierung im Museum: Ein Werkstatt-Bericht, Mainz 2017 (RGZM – Tagungen, Band 32), S. 89-100.

 

Meier, Norbert/Lewer, Hans-Jürgen: Zeche Mansfeld. Wie Urbanus und Colonia zu Mansfeld wurden, Recklinghausen 2012.

 

Müller, Sigfried: Das Anschauungsbergwerk, in: Slotta, Rainer (Hrsg.): 75 Jahre Deutsches Bergbau-Museum Bochum (1930 bis 2005). Vom Wachsen und Werden eines Museums, Bd. 2, Bochum 2005 (= Veröffentlichungen aus dem Deutschen Bergbau-Museum Bochum, Nr. 134), S. 512-586.

 

Reuter, Rudolf/Wisselmann, Heinrich F.: Chronik der Zeche Mansfeld, Lehrte 1991.