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Buy one, get one free! – Wundertüte Museumsdokumentation

Die Aufarbeitung historischer Objektbestände mitsamt ihrer überlieferten Dokumentation hält hin und wieder Überraschungen bereit, welche die Sammlungsmitarbeitenden mit mehr Fragen zurücklassen als sie zu Beginn an ein Objekt stellten. Ein Tafelbild der Heiligen Barbara reihte sich, ganz ohne himmlisches Zutun, im Zuge der Re-Inventarisierung der Gemäldesammlung in die musealen Kuriositäten ein und gibt noch dazu Einblicke in vergangene Arbeitsweisen und Schwerpunkte in der Dokumentation der Musealen Sammlungen des Deutschen Bergbau-Museums Bochum (DBM).

Ein Tafelbild des spanischen Künstlers Mariano Salvador de Maella, der vor allem für die Malerei von Porträts und religiösen Fresken bekannt ist, stammt etwa aus dem Jahr 1775. Es wurde 1956 vom seinerzeitigen Museumsdirektor Dr.-Ing. Heinrich Winkelmann auf einer seiner Dienstreisen nach Österreich von einer Wiener Kunstgalerie für das damalige Bergbau-Museum Bochum für die Sammlung der Schutzheiligen der Bergleute im Museum angekauft (montan.dok 033303439001). Zu sehen ist die Heilige Barbara in der Kleidung aus der Übergangszeit des spanischen Rokoko zum Klassizismus, ausgestattet mit einer Reihe der ihr zugeschriebenen Attribute: in der linken Hand ein Kelch, über dem eine Hostie schwebt, in ihrer Rechten Schwert und Palmzweig sowie ein Turm im Hintergrund.

 

Der zu Beginn der Re-Inventarisierung noch unbearbeitete Datensatz aus der Anfangszeit der EDV-Erfassung im DBM gab kaum mehr Informationen her, als den Objektnamen, den Nachnamen des Künstlers, die Maße des Gemäldes und die Beschreibung, dass es sich um eine Barbara-Abbildung handelt. Ein zur Verfügung stehendes Objektfoto gab lediglich die Vorderansicht des Bildes wieder.

Der Gang zum Objekt, der weitere Details liefern sowie das Vorhandensein einer Künstlersignatur oder etwaiger Beschädigungen prüfen sollte, brachte dann tatsächlich eine kaum zu übersehende Besonderheit zutage, denn auf der Rückseite war ein weiteres Gemälde mit einer Mariendarstellung zu sehen. Die dazugehörige, noch vor der EDV-Erfassung angefertigte Karteikarte war vorerst nicht aufzufinden, so dass erst einmal gerätselt wurde, ob hinter dem rückseitigen Gemälde nicht doch etwas anderes steckt, als die bloße Wiederverwendung des Materials, in diesem Fall einer Kupferplatte. Da beide Seiten keine Signatur des Künstlers aufwiesen, konnte auch nicht eindeutig belegt werden, dass es sich um eine Arbeit desselben Künstlers handelt. Es stellte sich einige Zeit später heraus, dass die Karteikarte nicht verloren gegangen, sondern versehentlich verkehrt in das bestehende Ordnungssystem einsortiert worden war. Das Wiederauffinden war einem Zufall zu verdanken, denn bei einem Karteikartenbestand von ca. 26.000 Stück endet eine solche Suche selten erfolgreich.

 

Die Karteikartendokumentation beinhaltete eine ausführliche Bildbeschreibung sowie Provenienzdaten und verriet auch den Bildinhalt der Rückseite, jedoch besaßen weiterführende Details für die Bewertung offenbar keine Priorität. Außerdem verwies man auf Expertisen und Stellungnahmen, die sich sowohl in den Akten als auch in der Fotothek auf der Rückseite des Objektfotos befinden sollten. Doch auch dort blieb die Rückseite „…Präsentierung eines Bischofs an Maria mit dem Kinde“ eine Randnotiz ohne weitere Erläuterungen. Über die Gründe des „doppelten Gemäldes“ und seiner Bewertung kann also nur spekuliert werden.

 

Dieses Beispiel zeigt jedoch auch einen historischen Wandel in der Museumsarbeit: Die aufkommende computergestützte Aufnahme von Sammlungsobjekten in eine Datenbank, die im DBM ab 1976 zunächst parallel mit dem Anfertigen von Karteikarten erfolgte, brachte aus heutiger Sicht nicht nur Vorteile mit sich. Die Karteikarte, die wahrscheinlich nach dem Objekteingang 1956 angefertigt wurde, ist sehr ausführlich in ihren Beschreibungen und Verweisen zu weiterführenden Informationen. In der ersten verwendeten Datenbank „SESAM“ wurden lediglich die „hard facts“ zu den Objekten gespeichert. Eine Verwendung im Sinne eines Sammlungsmanagements war zur damaligen Zeit gar nicht vorgesehen. Die Einführung eines EDV-Systems und damit das erstrebte Ziel, die Dokumentation zu erleichtern, indem Dokumentationsinhalte und Standorte zentraler und gut recherchierbar verwaltet werden, hatte also einen nicht unerheblichen Verlust von Objektgeschichten und Kontextinformationen zur Sammlungsverwaltung, wie z. B. Auskünfte über die Provenienz, zufolge, der heute nur teilweise wieder aufgefangen werden kann.

 

Aktuelle Datenbanken bieten ganz andere Möglichkeiten in der Erfassung und Vernetzung von Objektdaten, dennoch ist es heute nicht weniger wichtig, die Informationen so detailgenau wie möglich festzuhalten und zu sichern, um sowohl die alltägliche Sammlungsarbeit als auch die Objektforschung mit wissenschaftlichen Standards zu ermöglichen. Die Re-Inventarisierung von Objekten des DBM im Bereich Kunst, Kultur und Tradition, wozu auch das Gemälde de Maellas gehört, im Rahmen des Projektes „montan.dok 21“ leistet dazu einen wichtigen Beitrag.

 

02. Dezember 2019 (Maren Vossenkuhl, M.A.)

 


Literatur

Montanhistorisches Dokumentationszentrum (montan.dok) beim Deutschen Bergbau-Museum Bochum 033303439001

 

Expertise des Prof. Emmerich Schaffran e.h. auf dem Objektfoto montan.dok 029000366000.