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Bergbau im Aquarium

Die ersten Pläne für ein „Tiefsee-Aquarium“ zur Präsentation des Themas Meeresbergbau im damaligen Bergbau-Museum Bochum stammen aus dem Jahr 1972. Es sollte nicht nur den ungewohnten Blick unter den Meeresspiegel ermöglichen, sondern auch zeigen, wie die Rohstoffe am Boden der Ozeane in Zukunft gewonnen werden könnten.

Unter einem Aquarium stellt man sich in der Regel einen Glaskasten mit Wasser vor. Das eigentliche Interesse macht aber die Unterwasserlandschaft mit ihren Fischen, Pflanzen und Steinen aus. Die transparente Glasscheibe und das möglichst klare Wasser verschwinden gleichsam vor den Augen der Betrachtenden und geben den Blick auf eine aquatische Welt frei, die man sonst nur als Taucher zu Gesicht bekommen kann.

 

Vielleicht aus dieser Erfahrung mit dem Blick in ein Aquarium kam man im Museum Anfang der 1970er-Jahre auf die Idee, ein „Tiefsee-Aquarium“ einzurichten. Im Gegensatz zu den geläufigen Glasbehältnissen dieser Art legte man allerdings den Schwerpunkt nicht auf die Lebewesen der Ozeane, sondern konzentrierte sich auf die Auffindung und Gewinnung von Rohstoffen am Meeresboden.

 

In einer Anfrage, die an verschiedene Unternehmen mit der Bitte um ein Angebot versandt wurde, wird die gewünschte Präsentationsform für die Techniken des Meeresbergbaus so beschrieben: „Das Aquarium […] soll dem Besucher Einblick in die Methoden der Tiefseegewinnung von Erdöl und Mineralien geben. Die Flachkugel wird innen maßstabsgerecht den Meeresboden mit allen benötigten Geräten zeigen. Die äußere Oberfläche soll sich in die moderne Gestaltung der Ausstellung einfügen.“ (montan.dok/BBA 112/1829)

 

In diesem Stadium war noch die Befüllung des Aquariums mit Wasser geplant, denn in dem Brief heißt es weiter, dass eine Umwälzpumpe und ein Zu- sowie Abfluss für das Wasser im Interesse der Sauberkeit und zur Vermeidung von Algenbewuchs vorzusehen sei. Von diesem Vorhaben nahm man in der Folge aus „technischen und optischen Gründen“ (montan.dok/BBA 112/1829) Abstand, weshalb vermutlich später nur noch von einer „Tiefseekugel“ die Rede ist.

 

Den Zuschlag erhielt schließlich die Silkok-Schwelm GmbH bei einem Preis von 52.840,- DM. Auf das Wasser wollte man anfangs allerdings nicht komplett verzichten. Das Angebotsschreiben sah eine 50 mm hohe Wasserschicht vor, auf der kleine Modellschiffe schwimmen sollten. Zeitweise dachte man gar an eine Vorrichtung zur Erzeugung von Wellen auf der Wasseroberfläche. Später ersetzte ein aus Kunstharz modellierter Ozean das echte Wasser.

 

Weiter waren eine metallisch schimmernde Oberfläche und je acht Fenster auf zwei Ebenen vorgesehen. Durch die Fenster der oberen Ebene sollte der Bereich über Wasser mit der Verankerung und Versorgung der Tiefseegeräte sowie Schiffen, Bohrtürmen und Hubschraubern zu sehen sein. Die untere Fensterreihe sollte den Blick auf den Meeresboden mit allen benötigten Gewinnungsgeräten eröffnen.

 

Die Gewinnung von Erdöl und Erdgas aus dem Meeresgrund wurde mit Modellen von Bohrinseln, Versorgungsstationen und Versorgungsschiffen dargestellt. Ihre realen Vorbilder waren Mitte der 1970er-Jahre, als der Lack der neuen Tiefseekugel gerade getrocknet war, bereits auf den Weltmeeren in Gebrauch.

 

Die Forschungsschiffe und Taucheinheiten zur Auffindung und Gewinnung von Manganknollen werden bei den Besucherinnen und Besuchern auf besonderes Interesse gestoßen sein, denn hier wurde nicht nur der Bergbau in den unwirtlichen Tiefen der Meere thematisiert, sondern auch eine Zukunftstechnologie gezeigt, die seinerzeit große Erwartungen weckte.

 

In einem Schreiben an Aussteller der Messe Interocean im Jahr 1973 gab man vonseiten des damaligen Bergbau-Museums Bochum der Überzeugung Ausdruck, dass die künftige Entwicklung der Menschheit maßgeblich von der ausreichenden Versorgung mit Energie und Rohstoffen abhänge und es bei der Lösung der dabei auftretenden Probleme unerlässlich sein werde, „auch die Möglichkeiten der Weltmeere als Reservoir für die sich abzeichnende Entwicklung auszuschöpfen.“ (montan.dok/BBA 112/4526) Da vor diesem Hintergrund noch gewaltige Anstrengungen und die Bereitstellung erheblicher finanzieller Mittel notwendig seien, so führte der damalige Direktor Hans Günter Conrad weiter aus, sehe das Museum sich dazu verpflichtet, die Allgemeinheit über die technischen und finanziellen Voraussetzungen der Technologie zu informieren. Die weitere Skizzierung der für das Thema Meeresbergbau vorgesehenen Ausstellungsfläche von 700 m² inklusive des „dioramenartigen Modells in Form einer Tauchkugel“ (montan.dok/BBA 112/4526) verband man mit der Bitte um Unterstützung des Vorhabens in Form von Bildmaterial, Modellen oder Originalgegenständen.

 

Entgegen der in ihn gesetzten Hoffnungen blieb der Meeresbergbau allerdings größtenteils im Planungsstadium stecken. Die Förderung von Manganknollen, die besonders aufgrund der enthaltenen Metalle Nickel, Kupfer und Kobalt das Interesse auf sich gezogen hatten, blieb mit Ausnahme von Forschungsfahrten und Probeförderungen auf die Modelle im Aquarium beschränkt. Wenn man auch bei der Meerestechnik Fortschritte gemacht hatte, stellte sich die ökonomische, politische und rechtliche Realisierbarkeit als problematisch heraus. Ende der 1980er-Jahre wurde es still um den Meeresbergbau, und erst nach der Jahrtausendwende wurde dem Thema wieder mehr Beachtung geschenkt.

 

Ein Umstand kam zudem ab den 1970er-Jahren mehr zum Tragen: Die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit und Politik für Fragen des Umweltschutzes. Die Vorstellung eines unerschöpflichen Ressourcenreichtums in den Weltmeeren wich einem stärkeren Bewusstsein für das Meer als Ökosystem. Die Schwierigkeiten beim Einsatz realen Wassers in dem Modell muten auf unbeabsichtigte Weise wie ein Zeichen für die technischen und ökologischen Herausforderungen an, die der Umgang mit dem Meer für den Menschen mit sich bringt.

 

Das Tiefsee-Aquarium war lange Zeit Teil der Dauerausstellung des Deutschen Bergbau-Museums Bochum und erfreute sich besonders bei Kindern großer Beliebtheit. Es existiert sogar eine Filmaufnahme des Exponats in einem kurzen Beitrag des Senders Qklar (https://www.youtube.com/watch?v=5PWrOTR0XDg). In der neugestalteten Dauerausstellung ist die Tiefseekugel, die schon 2016 ausgesondert wurde, nicht mehr zu sehen.

 

Das frühe Interesse des Museums am Meeresbergbau und seiner modernen Präsentation lässt sich anhand der entsprechenden Akten nachvollziehen. Diese werden im Bergbau-Archiv Bochum im Bestand 112: Deutsches Bergbau-Museum Bochum, Bochum, verwahrt. Im Rahmen des Projektes „montan.dok 21“ wird dieser aufgearbeitet und archivisch verzeichnet, um zukünftig für die interne und externe Objektforschung zur Verfügung zu stehen.

 

03. Juni 2019 (Jens Brokfeld, M.A.)

 


Literatur

Montanhistorisches Dokumentationszentrum (montan.dok) beim Deutschen Bergbau-Museum Bochum/Bergbau-Archiv Bochum (BBA) 112/874, 112/1829, 112/1834, 112/4526

 

Ruppenthal, Jens: Raubbau und Meerestechnik. Die Rede von der Unerschöpflichkeit der Meere, Stuttgart 2018.