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Kurzführer zur Deutschen Bergbau-Ausstellung vom 13. bis 28. September 1958 in Essen

In der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg fanden in Essen eine Reihe von Ausstellungen zum Steinkohlenbergbau statt, die in der Tradition von Industrie- und Gewerbeausstellungen des 19. Jahrhunderts standen. Mit der Schau des Jahres 1958 verbindet sich zugleich der Beginn einer einschneidenden Strukturkrise des Bergbaus an der Ruhr.

Der in drei Sprachen verfasste Kurzführer, heute im Bergbau-Archiv Bochum und bei den wissenschaftlichen Recherchen im Rahmen von „montan.dok 21“ entdeckt, diente den Besuchern der Deutschen Bergbau-Ausstellung 1958 in Essen zur schnellen Orientierung auf dem Messegelände des Grugaparks. Auf dem Titel sind links ein Fördergerüst und rechts ein Bergmann in Arbeitsmontur dargestellt. Das Feld rechts oben zeigt mit einem stilisierten Kohlebrocken vor rotem Hintergrund das offizielle Ausstellungplakat.

 

Die Ausstellung stand in einer Reihe von Essener Nachkriegsausstellungen zum Bergbau, von denen die erste 1948 auf dem Gelände der ehemaligen Folkwangschule, die nachfolgenden 1950 und 1954 in den Messehallen des Grugaparks stattfanden. Organisator der drei ersten Ausstellungen war Heinrich Kost, Leiter der 1947 gegründeten Deutschen Kohlenbergbau-Leitung, die als Nachfolgeinstitution der Versorgungszentrale des deutschen Bergbaus den Aufbau der deutschen Kohleproduktion in Gang setzen und die Versorgung der deutschen Wirtschaft mit Kohle sicherstellen sollte. Die nachfolgenden Ausstellungen fanden dann unter der Regie des Unternehmensverbandes Ruhrbergbau und des Steinkohlenbergbauvereins statt.

 

Ziel der Ausstellung von 1958 war es, den Besuchern einen Überblick über die seit dem Kriegsende erreichten Leistungen des deutschen Bergbaus zu ermöglichen und gleichzeitig auch den Fachaustausch mit ausländischen Ausstellern und Besuchern zu befördern. Dabei stand sie mit dem Motto „Gewinnung und Förderung von Steinkohle, ihre mechanische und thermische Veredelung sowie die Verwendung der Steinkohle für Feuerungszwecke“ ganz im Zeichen des Absatzes der Steinkohle für die Energiewirtschaft. Auch eine begleitende Sonderschau unter dem Titel „1858 bis 1958 – 100 Jahre Fortschritt im Steinkohlenbergbau“ hob konsequent auf die wirtschaftlichen und sozialen Leistungen des Ruhrbergbaus ab, wobei sie deren historischen Beginn in der Gründung des Bergbau-Vereins im Dezember 1858 sah und damit höchst suggestiv die Geschichte des Ruhrbergbaus mit der Geschichte von Arbeitgebern und Zechenbesitzern in eins setzte.

 

Doch trotz aller fortschrittsbetonter Leistungsschau: Zum Zeitpunkt der Eröffnung zeichnete sich im deutschen Steinkohlenbergbau eine Krise ab, die den Industriezweig in den folgenden Jahrzehnten tiefgreifend verändern sollte. Wurde 1956 im Wirtschaftswunderland Deutschland mit 15,1 Millionen Tonnen Steinkohle noch die höchste Nachkriegs-Jahresförderung überhaupt erreicht, so brach zum Jahreswechsel 1957/58 der Kohlenabsatz überraschend ein. Zwar hatte es immer wieder Schwankungen im Absatz gegeben, doch diesmal erwies sich der Einbruch als Ausgangspunkt einer lang anhaltenden Strukturkrise, dem in den 1960er-Jahren massenhaft Zechenstilllegungen folgten. Bereits Ende Februar 1958 fuhren an der Ruhr 16 000 Bergleute wegen mangelnder Nachfrage Feierschichten, lagen zum Jahreswechsel bereits 17 Millionen Tonnen Kohle auf Halde. Eine der Ursachen hierfür war die Konkurrenz anderer Energieträger, allen voran des Erdöls. Nicht allein rhetorisch fragte deshalb schon 1957 ein Bericht des Unternehmensverbandes Ruhrbergbau, ob nicht das Ende des Kohlenzeitalters gekommen sei.

 

Um dieser Entwicklung entgegenzusteuern, setzte man nicht allein auf Zechenstilllegungen oder wirtschaftspolitische Maßnahmen, wie etwa Finanzhilfen im Rahmen eines Entwicklungsprogramms Ruhr. Um die Kohle konkurrenzfähig zu halten, ging es vor allem darum, durch Innovationen über und unter Tage den Abbau zu rationalisieren und die Mechanisierung voranzutreiben. Als Schaufenster aktueller Bergbautechnik spiegelte die Essener Schau eben diese Entwicklung hin zu einer Vollmechanisierung, die in den beiden nachfolgenden Jahrzehnten an Fahrt aufnahm.

 

Sie hatte in den 1950er-Jahren erst schleppend eingesetzt. So etwa beim Abbau vor Ort, wo noch 1957 an der Ruhr zwei Drittel der Kohle ganz traditionell mit dem Abbauhammer gewonnen wurden. Dies sollte sich im folgenden Jahrzehnt grundlegend ändern. So stieg die Zahl der Walzenschrämlader zwischen 1959 und 1965 von 29 auf 105. Wichtiger noch war die schälende Gewinnung durch den Einsatz von Kohlehobeln. Lag deren Anteil 1960 im deutschen Bergbau bei 20 % so lag er zehn Jahre später bei knapp 80 %. Der Preis von Mechanisierung und Rationalisierung war ein massiver Verlust von Arbeitsplätzen. Bereits bis 1963 wurden im Ruhrbergbau ca. 150 000 Beschäftigte entlassen. So gesehen scheint der auf dem Führer abgebildete Bergmann des Jahres 1958 durchaus skeptisch in die Zukunft zu blicken.

 

01. Oktober 2018 (Dr. Stefan Siemer)

 


Literatur

Montanhistorisches Dokumentationszentrum (montan.dok) beim Deutschen Bergbau-Museum Bochum/Bergbau-Archiv Bochum (BBA) 16/3936

 

Nonn, Christoph: Die Krise des Ruhrbergbaus bis zur Gründung der Ruhrkohle AG (1957/58 bis 1969), in: Farrenkopf, Michael u.a. (Hrsg.), Glück auf! Ruhrgebiet. Der Steinkohlenbergbau nach 1945, Bochum 2009, 236-242.

 

Bleidick, Dietmar: Gewinnungstechnik im Ruhrkohlenbergbau nach 1945, in: Farrenkopf, Michael u.a. (Hrsg.): Glück auf! Ruhrgebiet. Der Steinkohlenbergbau nach 1945, Bochum 2009, S. 347-349.

 

Farrenkopf, Michael: Wiederaufstieg und Niedergang des Bergbaus in der Bundesrepublik, in: Ziegler, Dieter (Hrsg.): Rohstoffgewinnung im Strukturwandel. Der deutsche Bergbau im 20. Jahrhundert, Münster 2013 (= Geschichte des deutschen Bergbaus, Bd. 4), S. 183-302.