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Fund des Monats: Die „Chef-Anlage“ von der DeTeWe

Was hat man sich in den 1950er-Jahren wohl unter einer „Chef-Anlage“ vorgestellt? Wie auch immer die ersten Assoziationen gewesen sein mögen - ob als Roboter für die Urlaubsvertretung oder als Automat zur Entscheidungsfindung - die hier als Fund des Monats vorgestellte Telefonanlage sollte laut Werbeslogan durchaus das Potenzial besitzen, das Leben der Führungskräfte effizienter zu gestalten.

Unternehmensführung per Telefon

 

Die in den historischen Werbeprospekten der Deutschen Telephonwerke und Kabelindustrie AG beworbene „Chef-Anlage“ hat nicht direkt etwas mit dem Bergbau zu tun. Ihr Charme und die Tatsache, dass sich die Anzeigen im Bestand des Bergbau-Archivs Bochum befinden, sind für uns aber Grund genug, an die ein wenig in Vergessenheit geratene Welt der analogen Telefonanlagen zu erinnern. Neben den geläufigen Funktionen für ein- und ausgehende Ferngespräche boten die Geräte der DeTeWe noch einige Sondertasten, die für unterschiedliche Gesprächsschaltungen zwischen Vorzimmer und „Chef“ vorgesehen waren. Im Vorzimmer sitzt eine junge Dame und der „Chef“ ist in diesem Fall ebenso selbstverständlich ein Mann. Zu den neuen Funktionen der Anlage gehört natürlich das Weiterleiten von der Sekretärin zu ihrem Vorgesetzten, aber auch ein Mithören ohne Gesprächsbeteiligung oder die Konferenzschaltung. Die Prospekte weisen den Leser auf die sogenannte Filterfunktion der Telefonanlage hin: „Die Sekretärin lässt nur wichtige Anrufe zum Chef“ und so können alle „leitenden Herren“, die sich für die Anlage entschieden haben, erleichtert sagen: „Schnell disponieren – Kleinigkeit!“.

 

An der Filterwirkung einer Telefonzentrale in großen Institutionen hat sich auch heute nicht viel geändert. Wer den „Chef“ sprechen möchte, muss seine Beweggründe vorher mitteilen, um weitergeleitet zu werden. Häufiger wird er auf einen späteren Zeitpunkt vertröstet werden oder gar in der elektronischen Warteschleife einer Telefonanlage mit Spracherkennung von einer Computerstimme nach seiner Legitimation gefragt werden. Mancher wünscht sich da vielleicht die bestimmte, aber unverkennbar menschliche Stimme der Sekretärin im Vorzimmer zurück, die je nach Einzelfall entscheidet und so ihrem Chef den Rücken freihält. Es ist schließlich immer noch etwas anderes, von einem Menschen, sei er männlich oder weiblich, aus der Leitung komplimentiert zu werden, als von einem Roboter. Die Geschlechterstereotypen, die in den Prospekten zum Ausdruck kommen, wirken heute ebenso antiquiert wie die analoge Telefonanlage. Der Fortschritt in der Technik und der Gleichberechtigung ist also unverkennbar, allein in der Frage des Zeitmanagements und der Problematik der großen Zahl drängender Anrufe scheint weder das eine noch das andere viel geändert zu haben.

 

Der Beitrag zur „Chef-Anlage“ zeigt, dass die Beschäftigung mit der Geschichte auch ihre humorvollen Seiten haben kann. Unter der Kategorie „Fund des Monats“ sollen in Zukunft noch mehr kuriose Objekte vorgestellt werden, die im Rahmen des Projekts montan.dok 21 gefunden wurden. Vielleicht können sie über ihren Unterhaltungswert hinaus auch noch zu Überlegungen anregen, die zu einem besseren Verständnis der Geschichte verhelfen und die vermeintliche Selbstverständlichkeit der Gegenwart etwas in Frage stellen.

 

16. November 2017 (Jens Brokfeld, M.A.)

 


Literatur

Montanhistorisches Dokumentationszentrum (montan.dok) beim Deutschen Bergbau-Museum Bochum/Bergbau-Archiv (BBA) FP 309/1