Der „unübertroffene“ Abbauhammer – Werbung und Technologiewandel im deutschen Bergbau der 1920er Jahre
Der Werbeprospekt zum Abbauhammer ist ein bemerkenswertes Dokument, weil er einen Einblick in die Vermarktung einer Innovation ermöglicht, die in der Entwicklung der Bergbautechnik an einem zentralen Wendepunkt steht: dem Übergang von der Gewinnungsarbeit unter Tage mit menschlicher Muskelkraft zu mechanisierten Verfahren.
Am Anfang des 20. Jahrhunderts waren die Gewinnungsverfahren im deutschen Bergbau noch stark an der Arbeit mit Werkzeugen wie Hacke und Schaufel oder Handfäustel (Schlägel) und Bergeisen (Eisen) orientiert. Der Abbau der Kohle erfolgte also in der Hauptsache mit Hilfe von Handarbeit und Muskelkraft. Daneben machte man sich die Sprengkraft von Schwarzpulver und ab den 1870er Jahren von Dynamit als Grundlage für die Gewinnungsarbeit zu Nutze. Zum Bohren der Sprenglöcher griff man auf drehende Gesteinsbohrmaschinen zurück, die anfangs per Hand eingesetzt wurden und in ihrer weiterentwickelten, druckluftbetriebenen Form auch im Abbau der Kohle Anwendung fanden. Letztere stellen einen Vorläufer des ebenfalls auf Druckluft als Antriebskraft angewiesenen Abbauhammers dar, der die Kohle im Unterschied zu den Bohrmaschinen per Schlagwirkung löst. Er konnte sich vor dem Ersten Weltkrieg in Deutschland mit einem Anteil von unter zwei Prozent nicht durchsetzen. In der zweiten Hälfte der 1920er Jahre fand der Abbauhammer allerdings schnell und umfassend Verbreitung.
Der entspannte Gesichtsausdruck des Bergmanns mit dem Abbauhammer „Roko“ suggeriert, dass die mühevolle Arbeit mit der überlegenen Technik des pneumatischen Werkzeugs auch im Sinne des Hauers weniger anstrengend und effizienter gestaltet werden kann. Im Kontrast dazu personifiziert sein vor Schweiß triefender, mit nacktem Oberkörper dargestellter Kollege die große körperliche Belastung, die mit der Gewinnungsarbeit einhergeht und durch das Werkzeug erleichtert werden soll. Nicht nur die ökonomischen Vorteile des Abbauhammers sollten mit der Werbestrategie beworben werden, sondern auch sein Beitrag zur Reduzierung der körperlichen Belastung der Arbeitnehmer.
Die Werbebotschaft lässt die Frage aufkommen, wie sich die Einstellung des Hauers zum Technologiewandel von der Handarbeit zu teilmechanisierten Verfahren darstellte.
Einen Hinweis gibt ein Aufsatz aus der Fachzeitschrift „Glückauf“ von 1924. Während der Rekapitulation der historischen Entwicklung des Abbauhammers kommt der Autor auf die verwandte Presslufthacke zu sprechen, die durch ihre vergleichbare Funktionsweise die Akzeptanz der Bergleute für die mechanische Kohlengewinnung gefördert habe. Als Gründe dafür werden die bessere Handlichkeit im Vergleich zu den teils schweren Modellen des Abbauhammers sowie die größere Vertrautheit der Bergleute mit ihrer äußeren Form genannt. Nach einer Beschreibung der geeigneten Einsatzgebiete für Abbauhammer (harte Kohle) und Presslufthacke (weiche Kohle) wird attestiert, dass der Abbauhammer auf Kosten der Presslufthacke im Ruhrbezirk immer mehr Verbreitung finde. Letzteres hat die historische Entwicklung bestätigt.
Die in „Glückauf“ vertretene Auffassung relativiert die eingängige Werbebotschaft etwas: Der Abbauhammer wurde durchaus nicht sofort von den Bergleuten als Erleichterung ihrer Arbeit empfunden. Vielmehr ist ein (teilweises) Festhalten an der traditionellen Arbeitsweise zu beobachten. Zudem blieb die Handarbeit mit dem pneumatischen Abbauhammer ein zentraler Bestandteil des Kohlenabbaus. Die Veränderung der Arbeitsweise brachte auf dieser Stufe der Mechanisierung keine Befreiung von harter körperlicher Arbeit mit sich. Die Bergarbeit blieb auch mit dem Abbauhammer hochgradig manuell und körperlich anstrengend. Besonders der Rückschlag des Hammers machte dem Hauer das Arbeitsleben schwer und führte zu neuen Berufserkrankungen.
Dennoch spielte das Bemühen um eine körperliche Entlastung der Bergleute schon Mitte der 1920er-Jahre in der Fachdiskussion um den maschinellen Kohleabbau eine Rolle. So wird ebenfalls in einem Artikel in der „Glückauf“ mit anklingendem Bedauern notiert, dass die Abneigung gegen körperliche Arbeit wachse und es aussichtslos sei „das Rad der Zeit in dieser Hinsicht zurückdrehen zu wollen“ (Glückauf 61, 1925, S. 951). So bleibe nichts anderes übrig, als dieser Tendenz mit dem Einsatz von Maschinen zu entsprechen.
Das positiv gezeichnete Bild des Abbauhammers in den Händen des Bergmanns aus dem Werbeprospekt weicht im Licht dieser Aussagen einer nüchterneren Einschätzung der Auswirkungen der neuen Technik auf die Arbeit unter Tage. In beiden Quellen lässt sich aber ein Bewusstsein für die körperliche Belastung durch Handarbeit erkennen, für deren Linderung man sich von der Mechanisierung viel verspricht.
Die Werbeanzeige stammt aus dem Bestand „Sammlung Firmenprospekte“, der Produktblätter, Kataloge, Handbücher und Gebrauchsanweisungen von ca. 2000 Unternehmen der Bergbauzulieferindustrie enthält. Seine Erschließung im Rahmen des Projekts „montan.dok 21“ ermöglicht sowohl eine gezielte Auswertung der Publikationen in ihrer Funktion als Werbemittel als auch im Hinblick auf technische Eigenschaften und bildliche Repräsentation der Produkte. Zudem wird durch die Verzeichnung eine Grundlage für die Objektdokumentation und -forschung geschaffen.
02. Juli 2018 (Jens Brokfeld, M.A.)
- Literatur
Montanhistorisches Dokumentationszentrum (montan.dok) beim Deutschen Bergbau-Museum Bochum/Bergbau-Archiv Bochum (BBA) FP 679/1
Bleidick, Dietmar: Bergtechnik im 20. Jahrhundert: Mechanisierung in Abbau und Förderung, in: Ziegler, Dieter (Hrsg.): Geschichte des Deutschen Bergbaus, Band 4, 2013, S. 355-411.
Grahn, H.: Abbauhämmer, in: Glückauf 60, 1924, S. 683-689.
Herbst, Fr.: Die maschinenmäßige Kohlengewinnung im rheinisch-westfälischen Steinkohlenbergbau, in: Glückauf 61, 1925, S. 949-990.
Hoffmann, Carl: Lehrbuch der Bergwerksmaschinen, 5. Aufl., Berlin 1956.
Tenfelde, Klaus: Das Ende der Mühsal? Technikwandel im Bergbau während der Industrialisierung, in: Kultur & Technik. Zeitschrift des Deutschen Museums 3, 1989, S. 139-147.