Konrad Grebe und der Kohlenhobel
Im Oktober 2023 konnten einige Objekte sowie vor allem umfangreiche Akten- und Fotoüberlieferungen aus dem Nachlass von Konrad Grebe in das Montanhistorische Dokumentationszentrum (montan.dok) übernommen werden. Darunter befindet sich auch ein Modell des auf dem Bergwerk Ibbenbüren der damaligen Preußischen Bergwerks- und Hütten Aktiengesellschaft (Preussag) entwickelten „Ur-Einheitshobels“ bzw. „Preußenhobels“ von 1941/42 (montan.dok 037001496001). Das Modell besteht aus vier mit Scharnieren verbundenen Teilen. An den Enden ist jeweils eine Umlenkrolle aus Metall angebracht. Das Scharnier zwischen den beiden mittleren Teilen, an denen auch die Hobeleisen befestigt sind, weist zusätzlich eine Feder auf, die dafür sorgt, dass der Hobel unter Spannung steht. Damit weist das Modell bereits einige konstruktive Verbesserungen auf, die offenbar nach dem ersten Versuchseinsatz des allerersten, von der Zechenwerkstatt in Ibbenbüren hergestellten Kohlenhobels im September 1941 vorgenommen worden sind. 1998 stellten die Werkstätten des Bergwerks Ibbenbüren einen Nachbau des Einheitshobels in Originalgröße her, der bis 2016 im Deutschen Bergbau-Museum Bochum ausgestellt war und sich heute ebenfalls in den Musealen Sammlungen des montan.dok befindet (montan.dok 030002673001).
Seit 1942 setzte eine ganze Reihe von Zechen im Ruhrgebiet und im Aachener Revier Nachbauten des Ibbenbürener Einheitshobels erfolgreich ein: Abbaufortschritt und Strebleistung konnten teilweise verdoppelt werden. Modelle einiger dieser Nachbauten z. B. durch die Zeche Hannover-Hannibal oder die DEMAG finden sich heute ebenfalls in den Musealen Sammlungen. Allerdings konnte sich die neue Technik der schälenden Gewinnung gerade auch unter den Bedingungen der Kriegs- und Nachkriegsjahre zunächst nur langsam durchsetzen. Dabei erfuhr der Ur-Hobel im praktischen Einsatz konstruktive Anpassungen und Weiterentwicklungen. Entscheidend für den Durchbruch der schälenden Gewinnung war die Entwicklung des Schnellhobels 1949, der nach seinem Erfinder Wilhelm Löbbe auch als „Löbbe-Hobel“ bekannt ist und der erstmals die bislang getrennten Antriebe von Hobel und Fördereinrichtung verband. Stammte 1948 gerade einmal ein Prozent der Gesamtförderung aus Hobelbetrieben, so stieg deren Anzahl seit Anfang der 1950er-Jahre sprunghaft an. 1960 betrug ihr Anteil an der Gesamtförderung etwa ein Fünftel und erreichte 1970 mit 78 Prozent den Höchstwert, bevor seit den 1970er-Jahren sukzessive die schneidende Gewinnung mit Schrämmaschinen als alternative Gewinnungstechnik Einzug hielt.
Die Steinkohlenbergwerke Ibbenbüren der Preussag hatten den Kohlenhobel am 24. März 1942 zum Patent angemeldet. In den Folgejahren entspann sich ein jahrelanger Rechtsstreit um die Erfinderrechte, namentlich zwischen Grebe und Ernst Seeber als Betriebsdirektor der Steinkohlenbergwerke Ibbenbüren, die im Nachlass ihren schriftlichen Niederschlag gefunden haben. Und wenn sich im gleichen Jahr, am 04. Dezember 1942, die englische Maschinenfabrik Mavor & Coulson in Glasgow eine dem Ur-Hobel ähnliche Anlage vom britischen Patentamt schützen ließ, verweist dies nochmals auf den Prozesscharakter technischer Innovationen.
Wenngleich Konrad Grebe somit nicht der einzige Vater des Erfolgs war, so ist doch seine Bedeutung für die technische Entwicklung im deutschen Bergbau von den 1940er- bis in die 1960er-Jahre kaum von der Hand zu weisen. Grebe wurde am 07. Juni 1907 im saarländischen Heiligenwald – heute ein Ortsteil von Schiffweiler – als Sohn eines Grubeninspektors geboren. Nach der Schulzeit und einigen Jahren auf der Grube Reden trat er am 06. Dezember 1926 als Elektriker in die Dienste der Steinkohlenbergwerke Ibbenbüren. Bis 1945 stieg er hier zum Maschinen- und Elektro-Obersteiger und damit zum Leiter des gesamten Maschinen- und Elektrobetriebs auf. Von Beginn an erwies er sich als Tüftler und Erfinder und erwarb bereits mehrere Patente. Seit etwa 1936/37 arbeitete er mit seinem Team an der Entwicklung des Kohlenhobels. Die Neuentwicklung erregte nicht nur in bergbaulichen Fachkreisen, namentlich beim Verein für die bergbaulichen Interessen im Oberbergamtsbezirk Dortmund (Bergbau-Verein), und bei der Bergbau-Zulieferindustrie, sondern auch beim NS-Regime großes Interesse. 1943 wurde Grebe als „Pionier der Arbeit“ ausgezeichnet, und offenkundig ließ sich das NSDAP-Mitglied bereitwillig von der NS-Propaganda vereinnahmen. Nach dem Krieg wurde er deshalb interniert und erst im Sommer 1947 entlassen. Mit der Internierung hatte er auch seine Stellung bei den Steinkohlenbergwerken Ibbenbüren verloren, die nun für ihn, wie es hieß, keine Verwendung mehr hatten. Somit gründete am 01. September 1947 sein eigenes Ingenieurbüro in Wuppertal. In den 1950er- und 1960er-Jahren befasste er sich in enger Kooperation mit der Bergbau-Zulieferindustrie, vorrangig mit der Gewerkschaft Eisenhütte Westfalia in Lünen und der Maschinenfabrik Hermann Hemscheidt in Wuppertal, mit der Entwicklung von Maschinen und Anlagen zur weiteren Mechanisierung im Bergbau. Ein Beispiel ist der Hemscheidt-Grebe-Bandzug für die Förderung unter Tage, der Anfang der 1950er-Jahre auf den Markt kam.
Die Datenbank des Deutschen Patentamts registriert nicht weniger als 467 Patentanmeldungen von Konrad Grebe, ein Indiz für seine außergewöhnliche technische Kreativität und Schaffenskraft. 1962 wurde ihm in Anerkennung seiner – wie es in der Verleihungsurkunde hieß – „in Deutschland und im Ausland revolutionär wirkenden und eingesetzten Erfindungen zur Rationalisierung der Kohlengewinnung und -förderung“ die Rudolf-Diesel-Medaille in Gold verliehen, die als eine der höchsten Auszeichnungen für unternehmerische Innovationsleistungen gilt. Grebe starb am 12. Juli 1972 im Alter von 65 Jahren in Wuppertal und wurde wenige Tage später auf dem Zentralfriedhof in Ibbenbüren beigesetzt.
Im montan.dok/Bergbau-Archiv Bochum bilden das Schriftgut und die Fotografien aus dem Nachlass von Grebe den neu gebildeten Bestand montan.dok/BBA 372, Konrad Grebe, Wuppertal - Bergmann, Ingenieur. Er enthält neben umfangreichen persönlichen Unterlagen und Fotografien, die durch einen Nachfahren geordnet und annotiert worden sind, vor allem eine umfangreiche Überlieferung an Patentunterlagen, Geschäftskorrespondenz und weiteren Fotografien aus seinem Ingenieurbüro. Die Objekte, darunter die Diesel-Medaille und besagtes Modell des „Ur-Hobels“, sind in den Musealen Sammlungen aufgenommen worden. Zusammen mit den umfangreich in den Beständen des montan.dok vorhandenen korrespondierenden Akten, Fotos, Filmen und Objekten bilden diese Überlieferungen einen einzigartigen Quellenfundus für Forschungen nicht zuletzt zur Entwicklung der Bergtechnik in den Nachkriegsjahrzehnten. Aufgrund der historischen Relevanz wird eine zeitnahe Erschließung des Nachlasses angestrebt, um ihn dann Wissenschaft und Öffentlichkeit zur Verfügung stellen zu können.
01. November 2024 (Dr. Stefan Przigoda)
- Literatur
Montanhistorisches Dokumentationszentrum (montan.dok) des Deutschen Bergbau-Museums Bochum/Bergbau-Archiv Bochum (BBA) 372.
Montanhistorisches Dokumentationszentrum (montan.dok) des Deutschen Bergbau-Museums Bochum 037001496001 und 030002673001.
Bleidick, Dietmar: Bergtechnik im 20. Jahrhundert: Mechanisierung in Abbau und Förderung, in: Ziegler, Dieter (Hrsg.): Geschichte des deutschen Bergbaus, Bd. 4: Rohstoffgewinnung im Strukturwandel. Der deutsche Bergbau im 20. Jahrhundert, Münster 2013, S. 355-411.
Kundel, Heinz: Der technische Fortschritt im Steinkohlenbergbau. Dargestellt an der Entwicklung der maschinellen Kohlengewinnung, Essen 1966.
Schlüter, Richard: Zehn Jahre Kohlenhobel, in: Glückauf 89, 1953, S. 537-545.
Versorgungszentrale des Deutschen Bergbaus (Hrsg.): Der Kohlenhobel. Ein Handbuch für die Einrichtung von Hobelbetrieben, Essen 1948.
Online-Portale: montandok.de. Unter: https://www.montandok.de/objekt_start.fau?prj=montandok&dm=Montanhistorisches%20Dokumentationszentrum&ref=303033 und museum-digital. Unter: https://nat.museum-digital.de/object/1543592 (Eingesehen: 29.10.2024).