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4 PS für den Bergbau: Die technische Zeichnung einer Wasserhebungs-Dampfmaschine

Im 18. Jahrhundert leisteten Dampfmaschinen als universell einsetzbare Kraftmaschinen einen wesentlichen Beitrag zur Industrialisierung in Europa. Dabei war diese grundlegende Innovation auf das Engste mit dem Bergbau verbunden. Wie diese Maschinen nicht nur den Abbau von Kohle revolutionierten, lässt sich an der Zeichnung einer Wasserhebungs-Dampfmaschine der südwestlich von Halle/Saale gelegenen Braunkohlengrube Gute Friederike ablesen. Die Zeichnung stammt von 1850 und ist heute im montan.dok zu finden.

Es handelt sich hierbei um das Original einer kolorierten technischen Zeichnung der Maschinenfabrik Kinne, die in den Musealen Sammlungen des Montanhistorischen Dokumentationszentrums (montan.dok) beim Deutschen Bergbau-Museum Bochum aufbewahrt wird (montan.dok 037000111001). Die Zeichnung im Format 526 x 725 mm gelangte über eine Schenkung des langjährigen Museumsdirektors Prof. Dr. Rainer Slotta in die Sammlung.

 

Der Siegeszug der Dampfmaschine als universale Kraftmaschine begann zu Beginn des 18. Jahrhunderts in England, wo sie erstmals im Steinkohlenbergbau zum Einsatz kam. Denn die von Thomas Newcomen (1663-1729) konstruierte „Feuermaschine“ erwies sich mit ihrer stetigen Auf- und Abbewegung als hervorragend geeignet, Pumpen zur Hebung des in Kohlengruben anfallenden Grubenwassers anzutreiben. Ab 1721 finden sich Dampfmaschinen auch auf dem Kontinent, so in Schemnitz (heute Banská Štiavnica, Slowakei) und 1786 im oberschlesischen Tarnowitz (heute Górny Śląsk, Polen). Bekannt ist auch die 1798 für die Saline Königsborn bei Unna aufgestellte Maschine, die bis zu ihrer Stilllegung 1933 Salzsole förderte und heute als Modell in der Dauerausstellung des Deutschen Bergbau-Museums Bochum zu besichtigen ist (montan.dok 030390123000).

 

Die ersten Maschinen im deutschen Steinkohlenbergbau lassen sich 1793 im Aachener Revier und kurz darauf auch im Ruhrgebiet nachweisen. Im Jahr 1802 wurde auf der Zeche Vollmond in Bochum Werne, die bis dahin erste Dampfmaschine zur Wasserhaltung installiert. Weitere Steinkohlenzechen, wie 1819 im sächsischen Freital, folgten. Den eigentlichen Durchbruch dieser neuen Technologie hin zum industriell betriebenen Bergbau bedeutete aber erst das Erreichen großer Abbautiefen, das erstmals Franz Haniel (1779-1868) mit dem Durchstoßen der Mergelschicht 1832 gelang. Von da an setzten sich Dampfmaschinen als Standard in der Wasserhaltung und bald auch in der Förderung durch.

 

Wurden bis dahin Dampfmaschinen für den jeweiligen Einsatzort einzeln angefertigt, so änderte sich dies in den 1820er-Jahren: Von nun an waren es auf ihren Bau spezialisierte Konstrukteure wie Franz Dinnendahl (1775-1826) in Essen und Friedrich Harkort (1793-1880) in Wetter a. d. Ruhr, die mit ihren Maschinenfabriken die steigende Nachfrage seitens der Industrie erfüllten.

 

Im Jahr 1866 liefen im Steinkohlenrevier an der Ruhr rund 200 Maschinen, bei denen es sich jedoch nicht mehr um die urtümlichen Newcomen-Maschinen handelte, sondern um die weitaus leistungsfähigeren, die James Watt (1736-1819) in den 1770er-Jahren konstruiert hatte und die im Laufe der Zeit ständig weiterentwickelt worden waren. Die Zeichnung zeigt also eine für die Mitte des Jahrhunderts typische Watt’sche Balanciermaschine, wie sie vor allem für die Wasserhaltung im Bergbau verwendet wurde. Im Rundgang Steinkohle der Dauerausstellung ist noch heute eine ähnliche Maschine im Original zu besichtigen (montan.dok 030080202001), die heute als älteste erhaltene Dampfmaschine des Ruhrbergbaus gilt.

 

Die Maschine unseres aktuellen Objekts des Monats kam auf der Braunkohlengrube Gute Friederike bei Asendorf, heute ein Ortsteil der südwestlich von Halle/Saale gelegenen Gemeinde Teutschenthal, zum Einsatz. Um die Mitte des 19. Jahrhunderts befand sich Asendorf inmitten eines prosperierenden Braunkohlenreviers, in dem der Abbau der hier vorkommenden Tertiärvorkommen bereits seit dem 14. Jahrhundert belegt ist. Stand am Anfang die Verwendung der bitumenreichen Kohle für die Salzsiederei, so fand sie im Zeitalter der Industrialisierung den Weg in Schwelereien, Brikettfabriken und in die zahlreichen Paraffin- und Mineralölfabriken rund um Halle/Saale. Größter Montanunternehmer im mitteldeutschen Braunkohlenbergbau war dabei der ab 1866 in Halle/Saale ansässige Carl Adolph Riebeck (1823-1883), der einen großen Teil der Kohlengruben dieses Reviers erwarb. Der industrielle Aufschwung verdankte sich nicht zuletzt auch der 1839/40 eröffneten Eisenbahnstrecken Magdeburg-Halle-Leipzig sowie der von Halle nach Erfurt aus dem Jahr 1847.

 

Voraussetzung für diesen Aufstieg zum in dieser Zeit führenden deutschen Braunkohlenrevier war die Privatisierung des fiskalischen Bergbaus in Sachsen und die Zuschlagung von Teilen Kursachsens, darunter eben auch Halle/Saale, an Preußen nach 1815. Kapitalgesellschaften ermöglichten nach 1850 eine grundlegende Modernisierung der Gruben, auf denen nun Dampfmaschinen zum Einsatz kamen und die auf maschinelle Wagenförderung und Haspelantrieb umstellten. Um an die profitablen teerreichen Kohlen zu gelangen, erwies sich zu dieser Zeit noch der Tiefbau gegenüber dem Tagebau als wirtschaftlicher, da hier die aufwendige und teure Abtragung und Aufhaldung der Deckgebirge entfiel.

 

Über die Grube Gute Friederike selbst ist allerdings wenig bekannt. Sie war von 1840 bis 1861 im Tiefbau in Betrieb und gehörte im Vergleich zu den benachbarten großen Tagebauen in Zscherben oder Dölau zu den eher kleinen Gruben des Reviers. Die Flöze hatten hier eine Mächtigkeit von 1,6 bis 6 m und lagen unter einer 20 m hohen Deckschicht. Im Jahr 1852 wurde eine Dampfmaschine von 4 PS zur Wasserhebung installiert, bei der es sich vermutlich um die auf der Zeichnung abgebildete handelte. Auch über den Hersteller der Maschine ist wenig mehr als der Name bekannt. Die Maschinenfabrik Kinne war um die Mitte des 19. Jahrhunderts in Halle/Saale ansässig und lieferte Dampfmaschinen zur Wasserhaltung u. a. für die Steinkohlenzechen im Revier um Zwickau.

 

Blickt man von hier aus erneut auf die Zeichnung, so ergeben sich grundsätzliche Fragen nach dem Wert und der Funktion dieser großformatigen technischen Zeichnungen. Sie vermitteln in ihrer Genauigkeit nicht nur Informationen zur Konstruktion, sondern muten heute durchaus auch als schön und ästhetisch an, bestehen doch – etwa mit Blick auf die „Erfindung“ perspektivischer Darstellung – zwischen der Erfindungskraft des Ingenieurs und der des Malers und Zeichners durchaus Zusammenhänge. Vor allem aber bilden technische Zeichnungen im Zeitalter der Industrialisierung die zweidimensionale Grundlage zur Konstruktion komplexer dreidimensionaler Maschinen.

 

Zu Recht wurde daher immer wieder auf den engen Bezug dieser Zeichnungen zu Museumsobjekten verwiesen, wobei sich, wie im vorliegenden Fall, naturgemäß mehr Zeichnungen als aus ihnen hervorgegangene Maschinen erhalten haben. Dass somit technische Zeichnungen und Pläne selbstverständlicher Teil einer Materiellen Kultur nicht nur des Bergbaus sind, darauf verweist nicht zuletzt die Website „Digitalisierung großformatiger Pläne und technischer Zeichnungen zur Erfassung und Erschließung des Raums“ (DigiPEER), die unter maßgeblicher Beteiligung des montan.dok diese Pläne für die Öffentlichkeit zugänglich macht.

 

01. November 2021 (Dr. Stefan Siemer)

 


Literatur

Bogen, Steffen: Repräsentative Maschinenzeichnungen und Perspektivkunst. Zur Verbindung neuzeitlicher Malerei mit graphischen Sprachen der Technik, in: Heßler, Martina (Hrsg.): Konstruierte Sichtbarkeiten. Wissenschafts- und Technikbilder seit der Frühen Neuzeit, München 2006, S. 131-152.

 

Bringezu, H./Oelke, E./Raabe, D.:  Braunkohlenbergbau in und um Halle (Saale), in: Wewetzer, Cornelia (Hrsg.): Halle und der Bergbau. Beiträge der wissenschaftlichen Tagungen am 17./18. Oktober 2003 und 24./25. September 2004, Halle 2005 (= Beiträge zur Regional- und Landeskultur Sachsen-Anhalt, H. 37), S. 221-269.

 

Farrenkopf, Michael/Przigoda, Stefan: Ausländisches Know-how im Ruhrbergbau des 19. Jahrhunderts, in: Der Anschnitt. Zeitschrift für Montangeschichte 68, 2016, H. 3, S. 85-96.

 

Przigoda, Stefan: Technische Zeichnungen in einem Forschungsarchiv: Quellen (nicht nur) für die raumhistorische Forschung, in: Röschner, Matthias (Hrsg.): Pläne und technische Zeichnungen aus Architektur, Bergbau, Raketentechnik und Schiffbau – das Gemeinschaftsprojekt DigiPEER, München 2018 (= Deutsches Museum: Preprint 14), S. 60-75. Unter: https://www.deutsches-museum.de/assets/Verlag/Download/Preprint/preprint_014.pdf (Eingesehen: 13.10.2021).

 

Verein für die bergbaulichen Interessen im Oberbergamtsbezirk Dortmund in Gemeinschaft mit der Westfälischen Berggewerkschaftskasse und dem Rheinisch-Westfälischen Kohlesyndikat (Hrsg.): Die Entwickelung des Niederrheinisch-Westfälischen Steinkohlen-Bergbaues in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, Bd. 4: Gewinnungsarbeiten, Wasserhaltung, Berlin 1902.

 

Wagenbreth, Otfried: Die Braunkohlenindustrie in Mitteldeutschland, Markkleeberg 2011.

 

Wagenbreth, Otfried/Wächtler, Eberhard (Hrsg.): Dampfmaschinen. Die Kolbendampfmaschine als historische Erscheinung und technisches Denkmal, Leipzig 1986.

 

Werner, Claus: Die älteste erhaltene Dampffördermaschine des Ruhrbergbaus. Deutungen und Bedeutungen eines Objektes mit fragmentarischer Überlieferung, in: Farrenkopf, Michael/Siemer, Stefan (Hrsg.): Bergbausammlungen in Deutschland. Eine Bestandsaufnahme, Berlin/Boston 2020, S. 360-378.

 

Online-Portale: montandok.de. Unter: https://www.montandok.de/objekt_start.fau?prj=montandok&dm=Montanhistorisches+Dokumentationszentrum&ref=61651 und museum-digital. Unter: https://nat.museum-digital.de/object/1067572 (Eingesehen: 29.10.2021).