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Fund des Monats: Stumme Zeugen: Objekte des Grubenunglücks in Ossegg 1934

Am 03. Januar 1934 kostete eine Kohlenstaubexplosion und deren Folgen über 140 Bergleuten das Leben in Ossegg (heute Osek, Tschechien). In den Musealen Sammlungen des Deutschen Bergbau-Museums Bochum hat sich dank einer Schenkung eine Reihe von Zeugen dieser Katastrophe erhalten.

Das Grubenunglück auf dem Braunkohlenbergwerk Nelson in Ossegg bedeutete nicht allein den Tod fast aller zu diesem Zeitpunkt unter Tage arbeitenden Männer, es verwüstete auch beinah alle Grubenbaue und Einrichtungen. Nur wenige konnten sich noch retten. Bei Rettungsversuchen, die wenige Stunden nach dem Unglück erfolgten, konnten nur noch Tote geborgen werden. Weitere Explosionen, die durch die Zufuhr von frischen Wettern ausgelöst worden waren, zwangen schnell zur Abdeckung der Schachtmundlöcher. Die unter schwierigsten Bedingungen stattfinden Bergungs- und Aufräumarbeiten zogen sich über Jahre hin, erst 1938 konnten die letzten Opfer der Katastrophe geborgen werden.

 

Schon kurz nach dem Unglück wurde durch eine vom Ministerium für öffentliche Arbeiten ernannte Kommission festgestellt, dass entzündeter Kohlenstaub die Explosion ausgelöst habe. Die Staatsanwaltschaft in Brüx leitete nun ein Ermittlungsverfahren ein. Zeugen und Sachverständige wurden gehört. Das Ergebnis war, dass die Explosionsgefahr des Braunkohlenstaubes unterschätzt worden sei und trotz entsprechender Vorschriften kaum eine wirksame Vorbeugung gegen Kohlenstaubbildung und Entzündungsgefahren stattgefunden habe. Laut der Sachverständigen erwiesen sich die Sparmaßnahmen in diesem Bereich als fatal. Allerdings wurde der Ursprungsort der Explosion nie genau ermittelt und schließlich vermutet, dass eine undichte Stelle eines Branddamms die Entzündung des Kohlenstaubs zur Folge hatte. Lediglich Geldstrafen für die Nichtbeachtung von Sicherheitsvorschriften wurden den Angeklagten 1938 auferlegt. Nach Beendigung der letzten Gewältigungsarbeiten (Aufräumarbeiten) 1941 wurde bis in das Jahr 1983 der Bergbau weiterbetrieben.

 

Das Grubenunglück hatte in der Presse ein über die damalige Tschechoslowakei hinausreichendes Echo gefunden. Inwieweit der Direktor des damaligen Bergbau-Museums in Bochum, Dr.-Ing. Heinrich Winkelmann, davon Kenntnis nahm, ist nicht bekannt. Aber kurz nach der Besetzung des Sudetenlandes durch das Deutsche Reich auf Grundlage des Münchener Abkommens traf sich Winkelmann mit dem Berginspektor Dipl.-Ing. Franz Hauser im Dezember 1938 in Bochum. Franz Hauser war der Betriebsleiter des von der Brüxer Kohlen-Bergbau-Gesellschaft betriebenen Bergwerks Nelson III. Dies alles geht aus dem Schriftverkehr zwischen Hauser und Winkelmann hervor (vgl. auch im Folgenden montan.dok/BBA 112/961), der sich heute im Bestand 112: Deutsches Bergbau-Museum Bochum, Bochum, im Bergbau-Archiv Bochum befindet.

 

Die genauen Hintergründe des Treffens im Bergbau-Museum und im Parkhotel „Haus Rechen“ werden durch den Briefwechsel nicht deutlich, nur, dass das Grubenunglück vom „Nelson Schacht“ thematisiert wurde. Franz Hauser hatte nämlich Winkelmann bei diesem Treffen versprochen, für das Bergbau-Museum „einige Sachen von unserer Grubenkatastrofe [sic!] zu senden“. Er hatte schon einige „interessante“ Dinge beisammen, als er dem Museumsdirektor am 10. Februar 1939 schrieb.

 

Alle Objekte zeigten die Spuren der Explosionen bzw. der Brände. Darunter auch Uhren, wie die Taschenuhr, „die ein Häuer, den die Explosion zerrissen hat, in der Westentasche trug“. Er lud Winkelmann zu einem Besuch nach Ossegg ein, wo er ihm auch Aufnahmen aus der Grube zeigen könne. Winkelmann bedankte sich für die Bereitschaft, die Dinge dem Museum zur Verfügung zu stellen. Besonders die Uhren fanden sein Interesse. Er habe nach solchen Uhren seit Jahren gesucht. Ihm sei eine Uhr, die angeblich ein Knappe bei einem Grubenunglück auf der Zeche Radbod bei Hamm getragen habe, angeboten worden. Gemeint dürfte die Schlagwetterexplosion auf Radbod vom 12. November 1908 mit bis zu 360 Toten gewesen sein. Er habe diese allerdings abgelehnt, da die Angaben nicht mehr einwandfrei nachzuweisen gewesen wären. Die Originale aus Ossegg waren daher sehr wertvoll für den Museumsdirektor.

 

Im Mai 1939 besuchte Winkelmann Hauser in Ossegg auf dessen Anlage. Dabei dürfte eine Auswahl von Objekten stattgefunden haben, die dann am 07. Juli 1939 in Bochum eintrafen. Neben fünf Uhren gehörten zwei Grubenlampen, ein Schichten- und ein Schussbuch, zwei Taschenmesser, ein Schlüssel, zwei Zigarettenetuis, ein Schloss mit Riegel, ein Telefon, ein Schaufelrad eines Ventilators, Teile zweier Hunte, Zughaken eines Schlepperhaspels mit abgerissen Seilen, ein durch Hitze ausgelaufenes Lager, Signalstützen (Isolatoren) vom Automat auf der Seilbahnstrecke, drei Grubenstempel, ein Rollentrageholz, eine Kabellatte des Telefonkabels und ein Drahtseil zu der Schenkung.

 

Laut Karteikarte fanden zumindest einige Stücke den Weg in die damalige Ausstellung. Im Nordflügel im zweiten Obergeschoss des Bergbau-Museums, das u. a. Schlagwetter und Grubenbrand gewidmet war, wurden die beschädigten und mit verkoktem Kohlenstaub inkrustierten Grubenstempel (montan.dok 030001905001, 030001906001, 030001907001), das abgebrochene Rollentrageholz (montan.dok 030001908000) und die Kabellatte mit Teerbelag ausgestellt (montan.dok 030001909000). Die Uhren scheinen zunächst „auf Lager“, d. h. im Depot, laut der alten Objektzettel aufbewahrt worden zu sein. Später fand eine von ihnen (montan.dok 030001426001) ihren Weg in die Ausstellung und zwar in den Erweiterungsbau von 1986. Sie hatte dem Steiger Knauer, der bei der Explosion ums Leben kam, gehört. Die Überreste der Uhr erzählen auf ihre Weise von der gewaltigen Explosion. Uhren, die wohlmöglich genau zum Zeitpunkt eines Unglückes stehen blieben – man denke nur an die berühmte Uhr des Atombombenabwurfs über Hiroshima im Hiroshima Peace Memorial Museum – sind im wahrsten Sinne des Wortes Zeitzeugen. Kein Wunder, dass Winkelmann gerade diese für das Bergbau-Museum sichern wollte.

 

Neben den verschiedenen Objekten aus Ossegg werden auch heute noch andere Gegenstände, die nach Grubenunglücken gefunden wurden, in den Musealen Sammlungen bewahrt. Übrigens auch eine Uhr des Unglücks auf Radbod (montan.dok 030001039001). Diese kam aber erst 1983 wiederum als Schenkung in das Deutsche Bergbau-Museum Bochum. Die Objekte führen dem Betrachter die Ausmaße der Katastrophen eindringlich vor Augen.

 

Durch die Aufarbeitung des Bestandes 112 im Rahmen des Projektes „montan.dok 21“ werden die Hintergründe der Schenkung aus Ossegg deutlich und das offenkundig schon früh bestehende Anliegen des damaligen Museumsdirektors, auch an die Gefahren und Unglücke, die mit dem Bergbau verbunden sind, im damaligen Bergbau-Museum zu erinnern.

 

01.03.2019 (Dr. Maria Schäpers)

 


Literatur

Montanhistorisches Dokumentationszentrum (montan.dok) beim Deutschen Bergbau-Museum Bochum 030001423001-030001444001, 030001905001- 030001909000, 030006341001 und 030001039001

 

Montanhistorisches Dokumentationszentrum (montan.dok) beim Deutschen Bergbau-Museum Bochum/Bergbau-Archiv Bochum (BBA) 112/961

 

Bergbau-Museum (Hrsg.): Wegweiser durch das Bergbau-Museum. Ein Gang durch Geschichte und Kultur des Bergbaus, Bochum 1959.

 

Kroker, Evelyn/Farrenkopf, Michael: Grubenunglücke im deutschsprachigen Raum. Katalog der Bergwerke, Opfer, Ursachen und Quellen, 2. überarb. und erweit. Aufl. Bochum 1999 (= Veröffentlichungen aus dem Deutschen Bergbau-Museum Bochum, Nr. 97; = Schriften des Bergbau-Archives, Nr. 8).

 

Majer, Jiří: Katastrofa Na Dole Nelson 1934, Prag 1984 (Rozpravy Národního technického muzea v Praze 96).

 

Majer, Jiří: Die Explosionskatastrophe auf der nordböhmischen Grube Nelson im Jahre 1934, in: Der Anschnitt 41, 1989, Heft 5, S. 159-166.